Mondlaub
kämpfen…«
Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Was beschwörst du Geister, Layla, wenn du nicht an ihre Kräfte glaubst? Und was das Kämpfen angeht, so überlass es mir. Was meinst du, warum die Sinhadja so aufgebracht waren? Es sei denn«, er sah sie scharf an, »du hast es dir anders überlegt.«
Layla schaute auf ihre Hände, sah wieder Tariqs Kopf vor sich.
»Nein.«
In seinen Augen tanzte eine sehr ungeisterhafte Aufregung. Er nahm ihren linken Arm, schlug den Ärmel zurück und fuhr mit seinen Fingern sachte über ihr Handgelenk. Dann berührte er es mit seinen Lippen. Layla spürte Kälte, einen kurzen, reißenden Schmerz, und dann befand sie sich nicht mehr in der Kapelle.
Sie stand auf einem Hügel. Um sich herum hörte sie Schreie, keuchenden Atem und das Geklirr von Schwertern. Sie sah an sich herab und bemerkte, dass sie selbst eine Klinge in der Hand hielt. Doch es war nicht ihre eigene Hand, noch war es ihr eigener Körper.
»Das wäre auch sehr unlogisch gewesen«, sagte Jusufs belustigte Stimme in ihrem Kopf, und sie begriff, dass es sein Körper war, der sich jetzt umwandte und auf das Flussufer blickte, wo, soweit man das durch den Nebel erkennen konnte, Christen und Moslems sich gegenseitig umbrachten.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Jusuf. »Du sitzt nach wie vor in der Kapelle. Ich hoffe nur, niemand kommt herein und spricht dich an. Jetzt sieh dort!«
Ein Araber, dessen Gesicht mit Blut und Schweiß so überkrustet war, dass sie es kaum erkannte, tauchte aus den Schwaden auf dem Hügel auf und schrie seinen Leuten zu, sie sollten sich vom Fluss zurückziehen.
»Der Emir! Der Emir ist umzingelt!«
Sie erkannte die Stimme. Deren Echo hallte jedes Mal in ihrem Kopf wider, wenn sie aus ihren Träumen von Tariq erwachte.
Ihr Arm hob das Schwert, ohne irgendein Gewicht zu spüren, und hieb auf Ali al Atar ein.
Er war nicht umsonst ein berühmter Krieger. Nach der ersten Überraschung wehrte er jeden der Schläge ab, doch das Wesen, in dessen Körper sie steckte, verfügte über mehr als menschliche Kräfte.
Noch nie im Leben hatte sie eine derartige Freude verspürt, einen derartigen Rausch. Ali al Atar auf den Knien um Gnade flehen zu sehen, hätte ihr keine solche Befriedigung bereitet, wie ihn zu verwunden, mehr und mehr, bis sie ihn schließlich entwaffnet hatte und ihm die Klinge an die Kehle setzte.
Als er zu ihr aufschaute, schimmerte zum ersten Mal Angst in seinen Augen. »Wer bist du?«, flüsterte er. Sie spürte, wie Jusuf sich zurückzog. Sie war allein mit Ali al Atar. »Tariq!«, antwortete sie und stieß zu.
Sein Blut bespritzte sie, und im selben Moment befand sich Layla wieder in der Kapelle, stoßweise atmend. Sie war erneut elf Jahre alt, am ganzen Körper grün und blau geschlagen und mit jeder einzelnen Wunde versehen, die Ali al Atar Jusuf zugefügt hatte.
»Du solltest dich so schnell wie möglich verbinden lassen«, sagte Jusuf gelassen. Die reine körperliche Erschöpfung machte Layla einen Augenblick lang benommen. Dann erinnerte sie sich wieder und begriff, was sie getan hatte. Sie fiel von der Kirchenbank und würgte.
»Menschen«, sagte Jusuf. »Du wolltest ihn töten, oder?«
Layla sah Ali al Atars aufgeschlitzte Kehle vor sich, dachte an das Gefühl, das sie dabei empfunden hatte, und erbrach sich.
Jusuf seufzte, hob sie auf und half ihr aus der Kapelle heraus.
Die klare Luft traf sie wie ein Schwall kalten Wassers. In Lucena war es neblig gewesen, dachte sie, und begann wieder zu würgen.
Jusuf betrachtete sie prüfend. »Es ist schwer beim ersten Mal, aber man gewöhnt sich daran.«
»Ich nicht«, keuchte sie. »Nie wieder, ich will das nie wieder, hörst du?«
Irgendwo aus seinem Brustpanzer holte er ein Taschentuch hervor und säuberte damit ihr Gesicht. »Armes kleines Mädchen«, sagte er freundlich. »Und jetzt lass dich verarzten.«
Damit war er verschwunden. Layla hatte sich noch nicht weit von der Kapelle entfernt, als ihre Duena sie fand. Doña Maria war entsetzt, doch statt in Ohnmacht zu fallen, brachte sie das Mädchen sofort in seine Kammer, holte Don Sanchos Barbier und verband Laylas Schnitte und Wunden. Beide fragten abwechselnd, was denn nur geschehen sei, aber Layla war nicht in der Lage, sich auch nur eine brauchbare Ausrede einfallen zu lassen. Die Stimmen drangen kaum zu ihr, während sie so stumm und unzugänglich wie ihre Mutter auf ihrem Bett lag.
Es war nicht so, dass sie Ali al Atar verziehen hatte oder
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