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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Stückchen, jedes Mal ein wenig mehr - ist es nicht so? Darauf läuft es doch hinaus, dein Gerede von der Lebenskraft!«
    Die dunklen Augenbrauen hoben sich. »Aber gewiss doch. Verstehst du etwas von der Jagd, Layla? Ich werde dir einen kleinen Vorsprung geben. Von jetzt an«, mit seinen Fingerspitzen zeichnete er sehr sachte die Linien ihres Mundes nach, ohne dass sie sich rühren konnte, »werde ich nur noch kommen, wenn du mich rufst.« Damit verschwand er.

    Der Marquis von Cadiz zählte eigentlich nicht zu den Männern, die sich spektakulären Wutanfällen hingaben. Umso erstaunter war sein jüngerer Sohn Juan, als Don Rodrigo Ponce de Leon sofort nach der Rückkehr des Grafen de Cabra an den Hof zornentbrannt in seine Gemächer stürmte.
    Juan folgte seinem Vater und zerbrach sich den Kopf, was geschehen sein könnte. Seit das Königspaar nach Vaena, nahe der granadischen Grenze, gekommen war, lag ein neuer Angriff in der Luft, und man munkelte, dass Fernando es auf Moclin abgesehen hatte, »den Schild von Granada«, wie die Mauren ihre Festung nannten. Aber es war noch nicht so weit; noch hatten sich nicht alle neu angeworbenen Truppen in Vaena versammelt.
    In der Abgeschiedenheit seiner Räume ließ der Marquis seinem Zorn freien Lauf. Juan lauschte ehrfurchtsvoll den recht farbigen Flüchen seines Vaters, merkte sich insgeheim einige für den eigenen Gebrauch und unterbrach ihn erst, als Don Rodrigo etwas von »diesem Hurenbock aus Cordoba« sagte.
    »Wen meint Ihr? Doch nicht Don Alfonso?«
    »Nein«, entgegnete sein Vater ätzend, »de Cabra, diese Missgeburt! Sein neues Wappen ist ihm zu Kopf gestiegen, und er hält sich für den persönlichen Königsfänger von Kastilien. Er hatte den Befehl, mit seinen Truppen dafür zu sorgen, dass al Zaghal keine Verstärkung nach Moclin schicken kann. Einfach genug, sollte man meinen. Er brauchte sich nur vor der Stadt aufzustellen. Kein Heidenheer hätte die Möglichkeit gehabt, gegen die Kanonen anzukommen, die wir ihm mitgegeben hatten.«
    Er verstummte kurz, um Atem zu holen. Juan fühlte sich bemü ßigt, einen Kommentar abzugeben. »Das, äh, klingt einleuchtend, Vater.«

    »Einleuchtend?«, explodierte Don Rodrigo. »Ein Säugling hätte es verstanden, aber de Cabra nicht, nein, nicht unser Don Diego! Statt seinen Befehlen zu gehorchen, sich auf das Abfangen zu beschränken und auf den König mit dem Hauptheer zu warten - was tut er, als er hört, al Zaghal käme selbst, um Moclin zu unterstützen? Er kann es gar nicht abwarten, einen weiteren Emir von Granada zu fangen, und lässt sich von al Zaghal in die Berge locken!«
    Juan begann zu ahnen, worauf alles hinauslief. »O nein«, stöhnte er.
    »O ja«, sagte Don Rodrigo erbittert. »Der einzige Ort, wo die Mauren im Vorteil sind, weil uns unsere Feuerwaffen dort kaum nützen, ist ein enges Tal in den Bergen, und nach Malaga weiß das jeder hier, nur der Graf de Cabra dachte wohl, für ihn gelte das nicht. Al Zaghal lockte ihn genau dahin, wo er ihn haben wollte, dann machte er ihn nieder und marschierte in aller Ruhe nach Moclin. Mit unseren neuen Waffen. Und das alles, weil de Cabra, dieser Narresnarr, beweisen wollte, wie gut er Emire einfangen kann. Ein paar Lorbeeren mehr für das gräfliche Haupt, und vielleicht noch eine goldene Kette auf dem Wappen. Gott verdamme seine Seele in die tiefste Hölle!«
    »Er… lebt noch?«, erkundigte sich Juan vorsichtig.
    »Ja«, erklärte der Marquis mürrisch. »Er lebt noch. Sein Bruder und fast alle seine Männer sind tot, aber er lebt noch.«
    Juan fand die letzte Bemerkung etwas ungerecht, denn auch Don Rodrigo hatte bei Malaga fast alle seine Leute an den Tod oder die Gefangenschaft verloren, aber er hütete sich, derartige Gedanken auszusprechen. Niemand, vermutete er, würde in der nächsten Zeit etwas zugunsten des Grafen de Cabra sagen wollen.

    Die Königin verblüffte die meisten ihrer Untertanen und beschämte viele, als sie den zutiefst gedemütigten Grafen de Cabra huldvoll empfing und laut und deutlich sagte: »Euer Handeln war nicht rascher und unüberlegter als bei Lucena, Graf, und dort hattet Ihr Erfolg. Hättet Ihr den Onkel gefangen genommen, so wie Ihr Euch damals des Neffen bemächtigt habt, wer hier würde Euch nicht mit Lob überhäufen und als genialen Strategen bezeichnen?«
    Danach unterblieben in ihrer Gegenwart alle Bemerkungen über den Grafen de Cabra. Aber er wurde den Spitznamen »Königsfänger« nicht mehr los, und die

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