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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nicht leisten, Truppen zu schicken, um es mit Gewalt einzutreiben. Und genau damit musste der verdammte Maure gerechnet haben.
    Don Juan verbeugte sich steif, machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Halle der Botschafter. Er kochte vor Zorn und wäre wohl auch im Laufschritt aus der Alhambra gestürmt, hätte ihn nicht das grelle Sonnenlicht daran erinnert, dass ihm entsetzlich heiß war und er noch einen langen Ritt vor sich hatte - mit einer solchen Nachricht für seine Königin. Er blieb inmitten des Säulenwaldes stehen, der den Löwenhof bildete, und beschloss, den Brunnen zu nutzen, um sein Gesicht abzukühlen und etwas zu trinken.
    Wie es der Zufall wollte, befanden sich einige junge Männer in der Nähe, die entweder nicht den Rang oder das Alter besaßen, um am Empfang des kastilischen Botschafters teilzunehmen.
    Sie kamen jetzt neugierig näher, um sich den Christen anzusehen. Don Juan de Vera fühlte sich von neuem provoziert, und diesmal, bei Gott, würde er etwas dagegen unternehmen.
    »Was starrt ihr mich an, ihr verdammten Heiden?«, fragte er herausfordernd. Die jungen Leute waren nicht weniger streitlustig als er; einer entgegnete: »Ich habe ja gehört, dass die Christen stinken wie die Schweine, aber dass es gleich so schlimm ist…«
    Es war eine willkommene Gelegenheit für alle Beteiligten. Don Juan zog sein Schwert. »Sag das noch einmal, du maurischer Götzenanbeter!«
    Einen Moslem als Götzenanbeter zu bezeichnen, war die schwerste Beleidigung, die er hätte finden können. Der Löwenhof hallte von dem Geklirr der Waffen wider, als Abul Hassan Ali aus der Halle kam, um herauszufinden, was es mit dem Tumult auf sich hatte. Er erhob seine Stimme nur einmal.
    »Aufhören, sofort! Die Waffen nieder!«

    In einem leiseren Tonfall fuhr Ali fort: »Der Botschafter steht unter meinem Schutz… Solange er sich in meinem Reich aufhält, lasse ich jeden köpfen, der ihn anrührt.«
    Einer der jungen Männer, der aus der Familie der Banu Sarraj stammte, welche nach den Banu Nasr die mächtigste in Granada war, zögerte; dann senkte auch er sein Schwert. Ali bemerkte es und vergaß es nicht. Die Banu Sarraj hatten seinen Vater auf den Thron gebracht, indem sie ihm halfen, den vorhergehenden Herrscher zu stürzen, der seinerseits Alschas Vater gestürzt hatte; dieser wiederum war nur durch die Unterstützung der Banu Sarraj zur Herrschaft gelangt. Es konnte sein, dass sie eines Tages nicht mehr damit zufrieden waren, die Banu Nasr nur gegeneinander auszuspielen, und selbst über Granada herrschen wollten, zumal er selbst, Ali, ihre Hilfe für seine Machtergreifung nicht nötig gehabt hatte. Außerdem hatten sie Verbindungen nach Marokko - etwas, mit dem man rechnen musste.
    Don Juan de Vera sah sich einem Mann verpflichtet, den er von Minute zu Minute mehr verabscheute, und brachte mit Mühe einige höfliche Sätze heraus. Sein Abgang wäre ohnehin nicht der ruhmreichste gewesen, aber dieses Ereignis machte den Aufenthalt in Granada vollends zu einem Flecken auf seiner Ehre. Ihm blieb nur, auf einen Krieg mit den Mauren zu hoffen, sobald der Bürgerkrieg in Kastilien beendet war. Er erhoffte ihn bald.

    Abul Hassan Ali beendete die Tributzahlungen an Kastilien nicht nur, weil die Zeiten dafür günstig waren. Er hatte nach wie vor Bedenken, aber einerseits konnte sich Granada einen Tribut in dieser Höhe kaum mehr leisten und zum anderen brauchte er dringend eine Geste, die seine schwindende Beliebtheit beim Volk wiederherstellte und bewies, dass er nicht unter christlichem Einfluss stand. In der Tat war die Bevölkerung begeistert - schon allein, weil der jährliche Tribut zum großen Teil aus ihren Steuern gezahlt wurde -, und der Aufruhr über die zweite Ehe des Fürsten ebbte ein wenig ab.
    Innerhalb des Palastes, in dem weichen, dämmrigen Licht, das durch Bögen und kunstvolle Gitter in die Alhambra fiel, hatte der Krieg erst angefangen. Es gab keine Toten, aber die Zwillinge wuchsen in einer Verstrickung aus Schönheit und Gift auf, die jederzeit tödlich werden konnte. Sie erkannten sehr bald, dass sie anders waren; ihre Halbgeschwister und die Kinder der Adligen mieden sie, und wenn sich ein gemeinsames Spiel nicht umgehen ließ, endete es regelmäßig in einem Streit.
    Tariq litt unter ihrer verwirrenden Andersartigkeit mehr als Layla. Er war von Natur aus großzügig und schloss leicht Freundschaften, aber da er schneller in Zorn geriet, als ein getrocknetes Pergament Feuer fing, hielten

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