Mondlicht steht dir gut
Verzweiflung.
19
Nachdem Maggie Greta Shipley abgeholt hatte, hielten sie noch bei einem Blumengeschäft an, um einen Strauß zu besorgen. Während sie zum Friedhof unterwegs waren, schwelgte Greta Maggie gegenüber in Erinnerungen an ihre Freundschaft mit Nuala.
»Ihre Eltern haben sich hier ein paar Jahre lang ein Ferienhaus gemietet, als wir beide ungefähr sechzehn waren. Sie war so ein hübsches Mädchen, und wir hatten viel Spaß miteinander. Wir beide waren während der Zeit damals unzertrennlich, und sie hatte viele Verehrer. Ja, Tim Moore hing damals ständig hier herum. Dann wurde ihr Vater nach London versetzt, und sie ist dorthin gezogen und hat dann auch dort studiert. Später habe ich dann erfahren, daß sie geheiratet hatte. Irgendwie haben wir uns schließlich aus den Augen verloren, was mir immer leid getan hat.«
Maggie lenkte den Wagen durch die ruhigen Straßen, die zum Friedhof St. Mary’s in Newport führten. »Wie ist es denn dazu gekommen, daß Sie wieder zusammengefunden haben?«
»Das war vor genau einundzwanzig Jahren. Eines Tages hat mein Telefon geklingelt. Jemand wollte mit der ehemaligen Greta Carlyle sprechen. Ich wußte, daß ich die Stimme kannte, konnte sie aber nicht direkt einordnen. Ich erklärte also, ich sei Greta Carlyle Shipley, und Nuala stieß einen Freudenschrei aus: ›Ist ja toll, Gret. Du hast dir also Carter Shipley an Land gezogen!‹«
Maggie hatte den Eindruck, als höre sie Nualas Stimme aus dem Mund aller möglichen Leute. Sie hörte sie, als Mrs. Woods über das Testament sprach, als Dr. Lane davon erzählte, wie Nuala sich immer als Zweiundzwanzigjährige gefühlt habe, und jetzt ebenfalls, als Mrs. Shipley ein freudiges Wiedersehen schilderte, wie Maggie es selbst erst vor weniger als zwei Wochen erlebt hatte.
Trotz der Wärme im Auto erschauerte Maggie. Gedanken an Nuala mündeten stets in dieselbe Frage ein: War die Küchentür nicht abgesperrt, so daß der Eindringling hineingelangen konnte, oder hatte Nuala die Tür selbst aufgeschlossen, um jemanden hereinzulassen, den sie kannte – eine Person, der sie vertraute?
Zuflucht, dachte Maggie. Unser Heim sollte uns doch eine sichere Zuflucht bieten. Hatte Nuala wohl um ihr Leben gefleht? Wie lange spürte sie die Schläge, die ihr auf den Kopf prasselten? Chief Brower hatte gesagt, er gehe davon aus, daß wer immer Nuala ermordet hatte, nach etwas gesucht habe, was er dann jedoch, so wie es am Tatort aussah, vermutlich nicht fand.
»… und so haben wir sofort wieder dort weitergemacht, wo wir aufgehört hatten, waren von Anfang an wieder die allerbesten Freundinnen«, berichtete Greta weiter. »Nuala hat mir erzählt, daß sie schon jung ihren Mann verloren und dann wieder geheiratet hatte und daß die zweite Ehe ein katastrophaler Fehlgriff gewesen wäre, bis auf Sie. Sie hatte dermaßen die Nase voll vom Heiraten, daß sie behauptet hat, da würde eher die Hölle einfrieren, bevor sie es noch mal versuchen würde, doch inzwischen war Tim verwitwet, und die beiden fingen an miteinander auszugehen. Eines Morgens hat sie mich dann angerufen und erklärt: ›Gret, hast du nicht Lust, Schlittschuhlaufen zu gehen? Die Hölle ist gerade zugefroren.‹ Sie und Tim hatten sich verlobt. Ich glaube, ich habe sie nie so glücklich wie damals erlebt.«
Sie kamen zum Friedhofstor. Ein aus Kalkstein gemeißelter Engel mit ausgestreckten Armen begrüßte sie.
»Das Grab liegt links von hier und den Hügel hoch«, sagte Mrs. Shipley, »aber das wissen Sie natürlich. Sie waren ja gestern hier.«
Gestern, dachte Maggie. War es wirklich erst gestern gewesen?
Sie parkten oben auf dem Hügel, und dann hakte sich Maggie fest unter Greta Shipleys Arm ein, und so gingen sie den Pfad entlang, der zu Nualas Grab führte. Der Boden war bereits wieder geglättet und mit neuen Grassoden versehen worden. Das dichte grüne Gras verlieh der Grabstelle eine Atmosphäre wohltuender Zeitlosigkeit. Das einzige Geräusch war das Rauschen des Windes im herbstfarbenen Laub eines Ahornbaums in der Nähe.
Mrs. Shipley brachte ein Lächeln zustande, als sie Blumen auf das Grab legte. »Nuala hat diesen großen Baum geliebt. Sie sagte, wenn ihre Zeit käme, dann wolle sie eine Menge Schatten, damit ihr Teint nicht von zuviel Sonne ruiniert wird.«
Sie lachten leise, als sie sich wieder auf den Rückweg machten. Dann zögerte Greta. »Wäre es ein großer Umstand für Sie, wenn ich Sie bitten würde, nur für einen Moment bei den Gräbern
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