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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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tiefer Bedeutung in diese Kleidung hineininterpretieren, so wie wir es mit den Trauergewändern der Vergangenheit zu tun versuchen? Und falls ja, hätten Sie dann nicht gern die Gelegenheit, ihre Diskussionen zu belauschen?«
    Das gefiel ihm. Es würde die verlegene Reaktion abmildern, die ihm stets zuteil wurde, wenn er erwähnte, daß die Beerawan Witwe oder Witwer in Lumpen kleideten, weil sie glaubten, daß die Seele der toten Person sofort nach dem Atemstillstand zu wandern begann und den Lebenden möglicherweise feindselig gesonnen war, sogar denen, die der oder die Verstorbene geliebt hatte. Die Lumpen symbolisierten offenbar Kummer und tiefe Trauer.
    Im Museum beschäftigte ihn dieser Gedanke auch weiterhin, während er die Lichtbilder zusammensuchte, die er brauchte. Er nahm eine Spannung zwischen der toten Nuala und der lebendigen Maggie wahr, Feindseligkeit, die gegen Maggie gerichtet war. Man mußte sie warnen.
    Er wußte Nualas Telefonnummer auswendig und wählte sie im trüben Licht seines Museumbüros. Er war gerade dabei, wieder einzuhängen, als er Maggie hörte, wie sie sich außer Atem meldete. Er legte trotzdem den Hörer auf.
    Sie würde die Warnung vielleicht sonderbar finden, und er wollte nicht, daß sie auf die Idee kam, er sei verrückt.
»Ich bin nicht verrückt«, sagte er laut. Dann lachte er.
»Ich bin nicht einmal sonderbar.«

MITTWOCH, 2. OKTOBER

24
    Neil Stephens war normalerweise in der Lage, dem Gezeitenwechsel auf dem Börsenmarkt seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Seine Kunden aus dem privaten wie geschäftlichen Bereich verließen sich hundertprozentig auf die Genauigkeit seiner Prognosen und seinen scharfen Blick für die Beurteilung von Trends. In den fünf Tagen jedoch, seitdem er vergeblich versucht hatte, Maggie zu erreichen, ertappte er sich immer wieder dabei, daß er zerstreut war, wenn er eigentlich hätte konzentriert sein müssen, und deswegen unnötig grob zu seiner Assistentin Trish.
    Als sie ihrer Verärgerung endlich Ausdruck verlieh, wies sie ihn dadurch zurecht, daß sie die Hand zu einer Geste hob, die eindeutig signalisierte: Bis hierher und nicht weiter!, und sagte: »Es gibt nur einen Grund für einen Burschen wie Sie, so brummig zu sein. Sie interessieren sich endlich für eine Frau, und die fällt nicht darauf rein. Nun, ich sollte wohl sagen: Willkommen in der Welt der Tatsachen, aber in Wirklichkeit tut’s mir leid, und deshalb versuche ich, Geduld mit Ihrem überflüssigen Gemecker zu haben.«
    Nach einem schwachen und resonanzlosen »Wer hat denn ohnehin hier das Sagen?« zog sich Neil in sein eigenes Büro zurück und durchforschte sein Gedächtnis erneut nach dem Namen von Maggies Stiefmutter.
    Er war frustriert, weil er sich des Gefühls nicht erwehren konnte, daß irgendwas nicht in Ordnung war, und ließ deshalb die für ihn charakteristische Geduld im Gespräch mit zwei seiner langjährigen Klienten, Lawrence und Frances Van Hilleary, vermissen, die ihn an diesem Vormittag in seinem Büro aufsuchten.
    In einem Chanel-Kostüm, das sie, wie Neil wußte, sehr gerne trug, saß Frances elegant aufgerichtet auf der Kante eines Leder-Klubsessels in dem »kundenfreundlichen Gesprächsbereich« und berichtete ihm von einem heißen Börsentip, den sie auf einer Dinnerparty erhalten hatten. Ihre Augen funkelten, als sie in die Details ging.
    »Der Konzern hat seinen Hauptsitz in Texas«, erklärte sie begeistert. »Doch schon seit China sich dem Westen geöffnet hat, haben sie erstklassige Ingenieure rübergeschickt.«
    China! dachte Neil entsetzt, lehnte sich jedoch zurück und bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, er höre mit höflicher Aufmerksamkeit zu, während zunächst Frances und dann Lawrence von der kommenden politischen Stabilität in China schwärmten, von Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung, von wahren Ölfontänen, die nur darauf warteten, angezapft zu werden, und natürlich von der Chance, ein Vermögen damit zu machen.
    Neil überschlug die Zahlen im Kopf und stellte bestürzt fest, daß die beiden davon sprachen, ungefähr drei Viertel ihres verfügbaren Vermögens zu investieren.
    »Hier ist der Prospekt«, schloß Lawrence Van Hilleary und schob ihn ihm zu.
Neil griff nach dem Hochglanzfaltblatt und fand seine Erwartungen bestätigt. Unten auf der Seite stand so klein gedruckt, daß man es fast nicht lesen konnte, die Einschränkung, nur Interessenten mit einem Vermögen von mindestens einer halben Million Dollar,

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