Mondlicht steht dir gut
da«, sagte er niedergeschlagen. »Na gut, wo ist das Telefonbuch? Ich ruf jetzt im Latham Manor an; haken wir erst mal das ab.«
Dr. William Lane hätte nicht zuvorkommender sein können. »Sie rufen zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt an«, erklärte er. »Wir haben eine unserer besten Wohnungen zur Verfügung – eine Einheit mit zwei Schlafzimmern und einer Terrasse. Es ist eine von vier solchen Wohnungen, und die übrigen drei werden von charmanten Ehepaaren bewohnt. Kommen Sie doch gleich vorbei.«
44
Dr. Lara Horgan, die neue ärztliche Leichenbeschauerin für den Staat Rhode Island, war nicht dahintergekommen, weshalb ihr so unbehaglich zumute war. Doch es war schließlich auch eine betriebsame Woche für ihre Abteilung gewesen: Zu den außergewöhnlichen Todesfällen hatten zwei Selbstmorde, drei Todesfälle durch Ertrinken und ein Mord gehört.
Der Tod der Frau in der Latham Manor Residence schien dagegen allem Anschein nach eine reine Routinesache zu sein. Und doch ließ ihr irgend etwas an dem Fall keine Ruhe. Die Krankengeschichte der Verstorbenen, Greta Shipley, war vollkommen überschaubar. Ihr langjähriger Arzt war inzwischen im Ruhestand, aber sein Partner bestätigte, daß Mrs. Shipley seit zehn Jahren an Bluthochdruck gelitten und zumindest schon einen stillen Herzinfarkt gehabt hatte.
Dr. William Lane, der Direktor und praktizierende Arzt des Latham Manor, schien kompetent zu sein. Das Personal war erfahren, und die gesamte Einrichtung war erstklassig.
Die Tatsache, daß Mrs. Shipley bei der Totenmesse für ihre Freundin Nuala Moore, die ermordet worden war, einen Schwächeanfall und dann noch einen weiteren Anfall erlitten hatte, bestätigte nur die Anspannung, in der sie sich befunden haben mußte.
Dr. Horgan hatte eine Reihe von Vorfällen erlebt, bei denen ein älterer Ehepartner nur Stunden oder gar Minuten nach dem Tod des Ehemanns oder der Ehefrau verschieden war. Jemand, der über die Art und Weise entsetzt war, wie ein guter Freund den Tod gefunden hatte, konnte leicht dem gleichen tödlichen Streß zum Opfer fallen.
Als staatliche Gerichtsmedizinerin war Dr. Horgan auch mit den näheren Umständen von Nuala Moores Tod vertraut, und ihr war bewußt, wie niederschmetternd sie für jemanden sein mochten, der dem Opfer so nahestand, wie es bei Mrs. Shipley der Fall gewesen war. Wiederholte heftige Schläge auf den Hinterkopf von Mrs. Moore waren die Todesursache gewesen. Mit Blut und Haaren vermischte Sandkörner legten die Vermutung nahe, daß der Täter die Waffe, wohl einen Stein, irgendwo am Strand gefunden und dann damit das Haus betreten hatte. Dies ließ auch vermuten, daß der Täter gewußt hatte, daß die Bewohnerin des Hauses klein und zart war, ja daß er vielleicht sogar Mrs. Moore persönlich kannte. Das ist es also, sagte sie sich. Das hartnäckige Gefühl, daß Nuala Moores Tod irgendwie mit dem Todesfall im Latham Manor zusammenhängt, ist es, was mir ständig Warnsignale schickt. Sie beschloß, die Polizei von Newport anzurufen und zu fragen, ob man dort schon irgendwelche Anhaltspunkte entdeckt habe.
Die Zeitungen von Anfang der Woche lagen in einem Stapel auf ihrem Schreibtisch. Sie fand auf der Seite mit den Todesanzeigen einen kurzen Bericht, der Mrs. Shipleys Lebenslauf aufführte, ihre Aktivitäten in der Gemeinde, ihre Mitgliedschaft bei den Daughters of the American Revolution, die Stellung ihres verstorbenen Mannes als Aufsichtsratsvorsitzender eines erfolgreichen Unternehmens. Als Hinterbliebene wurden drei in New York City, in Washington, D.C., und in Denver ansässige Verwandte genannt.
Also niemand in der Nähe, der sie im Auge behalten konnte, dachte Dr. Horgan, als sie die Zeitung niederlegte und sich dem Berg Arbeit auf ihrem Schreibtisch zuwandte.
Dann nagte noch ein letzter Gedanke an ihr: Schwester Markey. Sie war es, die Mrs. Shipley im Latham Manor tot aufgefunden hatte. Diese Frau hatte irgend etwas an sich, was ihr nicht gefiel, eine hinterfotzige, besserwisserische Art. Vielleicht sollte Chief Brower noch mal mit ihr reden.
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Im Zuge seiner Recherchen für seine Vortragsreihe hatte Earl Bateman Abdrucke von alten Grabsteinen genommen. Er hatte sie zum Thema eines seiner Vorträge gemacht.
»Heutzutage wird nur ein Minimum an Informationen auf Grabsteinen festgehalten«, erläuterte er gewöhnlich, »genaugenommen nur die Geburts- und Todesdaten. In früheren Jahrhunderten jedoch konnte man wunderbare Lebensgeschichten auf
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