Mondlicht steht dir gut
Aber Nuala hat doch nicht im Latham gewohnt, hielt sie sich vor Augen. Hat er eine Glocke als Zeichen der Freundschaft auf ihr Grab gelegt? Er schien sie ehrlich gern gehabt zu haben.
Aber eines der Gräber hatte gar keine Glocke. Warum eigentlich? überlegte sie. Ich habe die Namen all dieser Frauen, dachte Maggie. Morgen gehe ich wieder zurück zu den Friedhöfen und schreibe mir ihre Todesdaten von den Grabsteinen ab. Es muß für jede von ihnen einen Nachruf in den Zeitungen gegeben haben. Ich will herausfinden, was darin steht.
Das Klingeln an der Tür war eine unwillkommene Unterbrechung. Wer würde wohl einfach vorbeikommen? fragte sie sich, während sie ins Erdgeschoß hinunterging. Dann ertappte sie sich bei dem Wunsch, daß es sich nicht um einen erneuten unerwarteten Besuch von Earl Bateman handelte; sie wußte nicht, ob sie ihn an diesem Nachmittag ertragen konnte.
Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, daß der Mann an der Tür einer der Newporter Polizeibeamten war, die als erste auf ihren Notruf an dem Abend von Nualas Ermordung reagiert hatten. Er stellte sich als Detective Jim Haggerty vor. Sobald er das Haus betreten hatte, machte er es sich in dem Klubsessel mit der Manier eines Mannes bequem, der nichts weiter zu tun hatte, als den Tag mit höflichem Geplauder zu verbringen.
Maggie setzte sich ihm gegenüber auf die Kante des Sofas. Wenn er nur ein wenig von Körpersprache verstand, würde er erkennen, daß sie hoffte, diese Befragung so schnell wie möglich zu beenden.
Er fing damit an, daß er eine Frage beantwortete, die sie gar nicht gestellt hatte. »Ich fürchte, wir tappen noch im dunkeln, was einen konkreten Tatverdächtigen angeht. Aber dieses Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben. Das kann ich Ihnen versprechen«, sagte er.
Maggie wartete ab.
Haggerty zupfte an seiner Brille herum, bis sie auf seiner Nasenspitze saß. Er schlug die Beine übereinander und massierte sich den Knöchel. »Alte Skiverletzung«, erklärte er. »Jetzt verrät sie mir immer, wenn der Wind dreht. Spätestens morgen abend wird’s regnen.«
Sie sind doch nicht hergekommen, um sich über das Wetter zu unterhalten, dachte Maggie.
»Miss Holloway, Sie sind jetzt ein bißchen länger als eine Woche hier, und ich bin froh, daß die meisten unsrer Besucher nicht so einen Schock erleben müssen, wie er Sie erwartet hat. Und heute hab ich Sie dann bei der Totenmesse für Mrs. Shipley in der Kirche gesehen. Wahrscheinlich haben Sie sich mit ihr angefreundet, seit Sie hergekommen sind.«
»Ja, das stimmt. Genaugenommen war es eine Bitte von Nuala, die sie in ihrem Testament festgehalten hat, aber es war etwas, was ich mit Vergnügen getan habe.«
»Wunderbare Frau, Mrs. Shipley. Hab sie schon mein ganzes Leben lang gekannt. Wirklich schade, daß sie keine Familie hatte, Sie mochte Kinder gern. Glauben Sie, daß sie sich im Latham Manor wohl gefühlt hat?«
»Ja, bestimmt. Ich war an dem Tag, an dem sie gestorben ist, von ihr dort zum Abendessen eingeladen worden, und sie hat eindeutig die Gesellschaft ihrer Freunde genossen.«
»Hat sie Ihnen gesagt, wieso ihre beste Freundin, Ihre Stiefmutter, sich im letzten Moment dagegen entschieden hat, dorthin umzuziehen?«
»Ich glaube nicht, daß das irgend jemand weiß«, erwiderte Maggie. »Dr. Lane war voller Zuversicht, daß sie ihre Pläne erneut ändern und sich doch noch dazu entschließen würde, die Wohnung zu nehmen. Keiner kann mit Sicherheit sagen, was in ihr vorging.«
»Ich hab vermutlich gehofft, daß Mrs. Moore vielleicht Mrs. Shipley ihren Grund für die Absage der Reservierung erklärt hat. Soweit ich informiert bin, war Mrs. Shipley wirklich froh darüber, daß ihre alte Freundin unter einem Dach mit ihr wohnen würde.«
Maggie dachte an die Karikatur der heimlich lauschenden Schwester Markey, die Nuala auf das Plakat gezeichnet hatte. Ob es wohl noch in Greta Shipleys Apartment war? fragte sie sich.
»Ich weiß nicht recht, ob das irgend etwas zu bedeuten hatte«, sagte sie vorsichtig, »aber ich glaube, daß sich Nuala und Mrs. Shipley beide sehr in acht genommen haben, was sie sagten, wenn eine bestimmte Pflegeschwester in der Nähe war. Sie hatte die Angewohnheit, ohne Vorwarnung einfach ins Zimmer zu platzen.«
Haggerty hörte auf, seinen Knöchel zu bearbeiten. »Welche Schwester?« fragte er ein wenig rascher.
»Schwester Markey.«
Haggerty machte Anstalten, aufzubrechen. »Haben Sie sich schon entschieden, was Sie mit dem Haus machen wollen,
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