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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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viel jünger, als er mit seinen neun Jahren ohnehin war.
    Ich seufzte. »Welche denn?«, fragte ich noch einmal.
    »Als sie dich ausgetrickst haben.«
    Ich schmunzelte, denn ich wusste, welche Geschichte er meinte. Es war seine Lieblingsgeschichte. »Es fing alles damit an, dass ich dich von ganzem Herzen gehasst habe, als du geboren wurdest. Ich wollte dich dahin zurückschicken, von wo du gekommen warst!«
    Aus seiner Kehle ertönte ein gurgelndes Kichern.
    »Alexandros und ich waren vier. Ich hatte mich bitter beschwert, weil ich mitten in der Nacht aufgewacht war und dein Geschrei gehört hatte, das durch die Gänge hallte«, erzählte ich. »Alle haben versucht, mich dazu zu bringen, dich zu mögen, ganz besonders der gutmütige Katep. Kannst du dich an ihn erinnern?«
    Er schüttelte den Kopf und ich schluckte, während ich an Kateps freundliche Art, an die hübsche, runde Form seines Gesichts und den wohltuenden Duft von Sandelholz und Zimt seiner Haut denken musste.
    »Eines Nachts war ich besonders wütend über dein lautes Gebrüll …«
    »Du? Wütend?«
    Ich lächelte und freute mich, dass er die Kraft aufbrachte, mich zu necken.
    »Also hat Katep zu mir gesagt: ›Der Kleine vermisst seine Mutter.‹ Er wusste nämlich genau, wie sehr ich Mutter vermisste in der schrecklich langen Zeit, in der sie nach Parthien gereist war, um Tata zu helfen, sich von dem Krieg dort zu erholen. Aber ich war nicht bereit, Mitleid mit dir zu haben …«
    »Typisch.«
    »Psst. Jedenfalls schien dein Weinen eines Abends ganz besonders laut und verzweifelt zu sein. Und da sagte Katep: ›Komm, lass uns nachsehen, ob wir der Amme vielleicht helfen können.‹«
    »Nafre.«
    Ich hielt inne. Seitdem wir Alexandria verlassen hatten, hatte er den Namen seiner Amme nicht mehr erwähnt – seiner Amme, an der er so sehr hing und die ihn am Hafen verlassen hatte, weil sie es nicht ertragen konnte, unter Römern zu leben. »Ja. Die arme Nafre sah sehr erschöpft aus, als sie da mit dir über der Schulter hin und her lief.«
    »›Ich befehle dir, dafür zu sorgen, dass das Kind aufhört zu schreien‹, sagte ich zu ihr. Aber Katep meinte: ›Das kann sie nicht, weil er seine Mutter vermisst.‹ Wieder wollte er mein Mitgefühl für dich wecken.«
    »Hätte ich ihm gleich sagen können … funktioniert nie«, flüsterte er.
    »Ich sagte ihr, sie sollte dich füttern, und sie meinte, das hätte sie bereits getan. Siehst du, du warst auch damals schon ein Vielfraß! Und plötzlich hast du gerülpst wie ein alter Hafenarbeiter aus unserem Hafen in Alexandria!«
    Ich hielt inne und dachte, wie glücklich es mich jetzt machen würde, ihn rülpsen zu hören, denn das hätte bedeutet, dass er etwas gegessen hätte.
    »Nun, und sobald du gerülpst hattest, hat Nafre dich in meine Arme gelegt und ist weggelaufen, weil sie sich angeblich die Schulter abwischen musste. Ich hab dir ins Gesicht geschaut und du hast mich angesehen und dann … dann hast du gelächelt! Ich habe die Luft angehalten. Dein Lächeln war wirklich genau wie das von Tata – nur zahnlos. Überrascht habe ich mich zu Katep umgedreht.
    ›Siehst du‹, meinte Katep. ›Ptolemaios Philadelphos hat seine Schwester lieb – die wie der Mond scheint, die wie Hathor tröstet.‹«
    Ptoli gab einen leisen Laut von sich. Wenn ich ihm die Geschichte früher erzählt hatte, hatte er immer über Kateps höchst förmliche ägyptische Worte lachen müssen.
    Ich fuhr fort. »Als ich dich angeschaut und gesehen habe, dass du mich noch immer angelächelt hast, da habe ich meine Meinung grundlegend geändert.«
    »Und dann?«
    »Und dann bist du immer größer geworden und hast mich nur noch geärgert.«
    »Nein, Kle-Kle«, murmelte er. »Du sollst es richtig erzählen.«
    Er benutzte seinen Kindheitsnamen für mich, so als würde seine Seele – und seine Erinnerungen – immer jünger. Er ging rückwärts. Es machte mir Angst und ich musste tief Luft holen, bevor ich wieder sprechen konnte. »Von mir aus. Zosima hat später zugegeben, dass sie, Katep und Nafre sich das Ganze ausgedacht hatten. Du hast nämlich immer gelächelt, nachdem du dein Bäuerchen gemacht hattest. Und so haben die drei einfach den richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Indem sie dafür gesorgt hatten, dass du mich angeschaut hast, nachdem du gerülpst hattest, machte es den Eindruck, als hättest du dein schönstes, liebevollstes Lächeln nur für mich aufgesetzt.«
    »Gu’ertrick«, sagte Ptoli schläfrig.
    »Ja, es war

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