Mondmädchen
für den untreuen Ehemann?«
»Äh, nein«, sagte Juba, den schon die Frage völlig zu verblüffen schien.
Ich seufzte. Natürlich nicht.
»Caesar möchte außerdem fördern, dass die gebildeten Bürger mehr Kinder bekommen. Vor allem, weil die Zahl der Sklaven – ganz abgesehen von den Einwanderern – schon jetzt die Zahl der Bürger bei weitem übersteigt.«
Ich runzelte die Stirn, während ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie Mutter das kritische Verhältnis zwischen den Bevölkerungsgruppen der Griechen, Ägypter, Juden, Sklaven und fremdländischen Kaufleuten in Alexandria ausbalanciert hatte. Mich verließ der Mut, als mir klar wurde, dass ich es nicht wusste und ich es mir nie mehr von ihr erklären lassen konnte. Ich nahm mir im Stillen vor, Isetnofret danach zu fragen, ob es irgendwelche Aufzeichnungen von Mutters Ministern gab, die ich studieren konnte.
»Ich glaube allerdings, dass er noch eine Weile warten wird, bis er diese Gesetze auf den Weg bringt«, fuhr Juba fort. »Aber er ist wirklich genial. Er hat Vergil, Horaz, Ovid und Livius überredet, dass sie über Roms ›tugendhafte‹ Geschichte schreiben. Das wird den Senat schon mal auf die zukünftigen Moralgesetze vorbereiten. Wirklich eine brillante Strategie von Caesar«, fügte er mit säuerlicher Miene hinzu.
Ich lächelte. »Nun, mein Freund, täusche ich mich, oder höre ich da einen Hauch von Zynismus gegenüber deinem großen Vorbild heraus?«
»Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich es als Schriftsteller gut finde, wenn Dichter und Historiker von diesem Rang dazu benutzt werden, um den Leuten …«
»Lügen aufzutischen?«, fragte ich. Hatte Octavian nicht eine ebenso meisterliche Kampagne benutzt, um meine Mutter zu verleumden, damit sich ganz Rom gegen meinen Vater wandte?
»… seine Politik schmackhaft zu machen«, sagte er ruhig.
»Und tust du nicht genau dasselbe?«
»Wie meinst du das?«, fragte er und Empörung sprühte aus seinen Augen.
Ich hielt kurz inne, als mein Pferd den Kopf schüttelte. War das etwa eine Warnung, dass ich den Mund halten sollte? Wir hatten uns schon so oft über dieses Thema gestritten … »Also«, sagte ich langsam und überging die Warnung. »Du selbst schreibst doch nur über römische Geschichte, römische Geografie, die römische Sprache, römische Gemälde – alles zum Ruhm von Octavians idealisierter römischer Welt.«
»Ganz und gar nicht«, sagte er. »Ich schreibe über das, was mich interessiert. Und er gibt diese Werke nicht bei mir in Auftrag, so wie er es bei Vergil tut. Ich schreibe, was ich will.«
Ich lachte. »Du bist wie Odysseus, nur weißt du nicht, dass du auf dem Meer umherirrst.«
»Was redest du denn da?«, fragte er und nahm seine Zügel fester in die Hand.
»Warum schreibst du nicht über numidische Helden wie deinen Vorfahren Massinissa oder deinen Ururgroßonkel Jugurtha? Was ist mit dem Heldenmut deines eigenen Vaters? Du hast deine Heimat, deine Bestimmung und sogar das Königtum vergessen, das Rom dir gestohlen hat«, sagte ich. »Du hast sogar deinen Namen verloren! Und du benutzt deine Gelehrsamkeit dazu, dich von dem abzulenken, was die Götter eigentlich für dich bestimmt hatten.«
Sein Gesicht verdüsterte sich. »Woher willst du denn wissen, was die Götter mir bestimmt hatten? Vielleicht hatten sie bestimmt, dass ich in Numidien sterben sollte, doch ich wurde durch die Gnade Julius Caesars verschont. Hast du darüber schon mal nachgedacht? Ich bin ein Gelehrter, weil das die Gaben sind, mit denen mich die Götter ausgestattet haben, und indem ich in Rom als römischer Bürger lebe, wird genau diese Bestimmung erfüllt …«
»Aber du warst ein Prinz deines Volkes! Julius Caesar hat dir deine Zukunft als König gestohlen, genau wie Octavian mir meine gestohlen hat. Solltest du nicht kämpfen, um dein …«
Jubas Kiefer mahlte. »Nein!«
Ich bohrte weiter nach. »Ich glaube, du wirst nur wütend, weil du genau weißt, dass ich recht habe.«
Der Blick, mit dem er mich anschaute, war so voll Zorn, dass ich die Augen abwandte. »Du? Recht?«, sagte er mit so viel Verachtung in der Stimme, wie ich es noch nie zuvor von ihm gehört hatte. »Immer, wenn ich mit dir spreche, bestärkt es mich darin, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, nicht du. Ich will nicht mein Leben damit verbringen, mein Schicksal zu beklagen oder mir zu überlegen, was hätte sein können!«
Jetzt war ich an der Reihe, mich an meinen Zügeln festzuklammern.
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