Mondmädchen
»Ja, natürlich«, sagte ich und aus meiner Stimme sprach Eiseskälte. »Ich verstehe natürlich, wie viel besser – Verzeihung, sicherer – es ist, sich in geistigen Höhenflügen zu verlieren, statt für das zu kämpfen, was dir rechtmäßig zusteht.«
Juba machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich begebe mich nicht in einen Kampf, von dem ich weiß, dass ich ihn nie gewinnen kann.«
»Ah, aber das ist der Unterschied zwischen dir und mir. In mir fließt das Blut von Alexander dem Großen. Und er hat sich nie in einen Kampf begeben und dabei auch nur in Erwägung gezogen, dass er ihn verlieren könnte!«
»Und wie stellst du dir vor, dass du irgendeinen Kampf gegen den mächtigsten Mann der Welt gewinnen könntest, hmm? Du bist wie eine Ameise, die mit Brotkrümeln nach dem riesigen Zyklopen wirft.«
»Nur weil ich im Moment noch keinen ausgearbeiteten Plan habe, heißt das noch lange nicht, dass ich nie einen haben werde.«
Juba gab ein verächtliches Schnauben von sich, und ich trieb mein Pferd an, sodass es vor seinem trabte. Wer von uns hatte recht? War es besser, stoisch anzunehmen, was die Schicksalsgötter einem reichten? Oder war es besser, sich zu Wehr zu setzen und die emotionale Energie, welche die Stoiker mit aller Kraft zu kontrollieren versuchten, zu benutzen, um das eigene Schicksal zu formen, so wie Alexander der Große es getan hatte? Wann wurde aus der Annahme des Schicksals die Unterwerfung unter eine unerträgliche Situation? Sollte ich dem Vorbild meiner Mutter folgen und bis zum Ende kämpfen und sogar noch meinen eigenen Tod selbst bestimmen? Oder sollte ich mehr wie Juba sein und mir ein sicheres kleines Leben schaffen im Schatten dessen, was mich letztlich zu unterdrücken oder zu zerstören suchte?
Eine Welle von Trotz ließ mich aufrecht sitzen. Ich war die Tochter der größten Königin von Ägypten, die je gelebt hatte. Selbst wenn es meinen Tod bedeutete, würde ich dafür kämpfen, das wiederzuerlangen, was man mir gestohlen hatte. Alles andere würde einer Schande für ihr Andenken gleichkommen.
Juba und ich wechselten kein Wort mehr, bis wir Capua erreichten.
~ Kapitel 34 ~
Wie zu jedem Vollmond versammelten sich die Anhänger der Isis, um sie mit Lobgesängen zu preisen und ihrer Schönheit zu huldigen. Die Luft vibrierte förmlich vor Erwartung, während sich die Gläubigen versammelten, um ihre Große Reise anzutreten. Bei Sonnenaufgang würde die Initiation in die Mysterien beendet sein. Einige, so munkelte man, kehrten nie wieder von der anderen Seite, der Seite der Göttin, zurück. Andere berichteten von prophetischen Visionen unter dem Einfluss der Göttin. Mein Herz raste vor Aufregung. Wie würde es bei mir sein?
In der Abenddämmerung begleiteten mich zwei junge Priester mit rasierten Köpfen und schwarz umrandeten Augen in den Innenhof. Ich ging barfuß, reingewaschen durch mein rituelles Bad und gekleidet in ein weißes Gewand aus dicht gewebtem Leinen. Vorsichtig schritt ich über die unebene grasbewachsene Lichtung neben dem Tempel.
Gebete und Gesänge schwebten durch die Abendluft. Duftwolken stiegen im sanften Windhauch von den früh blühenden Rosen auf. Zwei weitere Novizen traten zu mir in die Mitte des kleinen Kreises: eine alte Frau, die gebeugt ging und ihre langen grauen Haare offen trug, und ein junger Mann, dessen frisch rasierter Kopf im schwindenden Licht glänzte.
Nach, wie mir schien, Stunden voller Gesänge und Gebete gab uns jemand kleine Tonschalen in die Hände. »Trinkt«, befahl einer meiner priesterlichen Begleiter. »Denn eure Reise beginnt jetzt.«
Ich trank. Wein, vermischt mit etwas anderem, etwas Unvertrautem, bitter, aber nicht unangenehm. Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ die Flüssigkeit in mich hineinlaufen, als hätte die Göttin selbst sie mir in den Mund gegossen. Noch mehr Gesänge. Flackernde Schatten, als Priester und Priesterinnen Fackeln für uns in die Nachtluft hielten.
Das fremdartige Getränk erfüllte mich mit Wärme und ein Kribbeln durchfuhr mich von den Zehen bis zu den Handflächen. Ich wollte tanzen, mich durch die hypnotischen Gesänge schlängeln. Ich hob die Hände über den Kopf und schwankte hin und her. Plötzlich huschte ein Bild von Ptoli an mir vorüber – wie sein kleiner Körper zu den Panflöten bei Caesarions Mannbarkeitsfeier getanzt hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ptolis Ba -Seele war hier, sah mir zu, lächelte und segnete mich, da war ich sicher.
Ich konnte
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