Mondmädchen
edleren Umhang trug, kam hinter Agrippa in den Raum geschlendert. »Was hat denn nun schon wieder deinen Zorn erregt, Marcus?«, fragte er. Drei junge Offiziere folgten ihm und stellten sich hinter uns an der Wand auf.
»Die Königin hat deine Befehle missachtet und die Kinder vor deiner Ankunft zu sich gerufen«, fauchte Agrippa.
»Und die Wachen haben sie nicht aufgehalten?«, fragte der andere Römer sanft.
»Irgendwie hat sie es geschafft, ihnen weiszumachen, es sei dein Wunsch«, sagte Agrippa.
Der junge Mann wandte sich zu ihr. »Ts, ts, meine Königin«, sagte er. Mutter wirkte verärgert angesichts dieser Vertraulichkeit. Der Mann, der fast noch ein Junge war, fuhr fort: »Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du meinen Anweisungen genau Folge leistest … oder?« Er warf einen raschen Blick zu uns hinüber.
»Ja, Octavian, wir haben …«
Er ließ seine Handfläche auf den Tisch niederfahren und ich zuckte zusammen. »Du hast CAESAR zu mir zu sagen!«
Mutter starrte ihn an. »Mein Herr , wir hatten eine Vereinbarung, der ich zugestimmt hatte. Die Vereinbarung lautete, dass du dich mit uns heute Vormittag treffen wolltest. Es gab dabei keine genauen Anweisungen, dass die Kinder mich nicht davor besuchen könnten.«
Während Octavian ganz auf Mutter konzentriert war, nutzte ich die Gelegenheit, ihn genau zu mustern. Das war also der Mann, der für den Tod meines Vaters und die Zerstörung meines geliebten Alexandria verantwortlich war. Der Mann, vor dem die ganze Welt auf den Knien lag. Eine weniger eindrucksvolle Gestalt hätte ich mir kaum vorstellen können. Er war klein – nicht viel größer als Mutter – und schmächtig. Die Abbildung der Muskeln auf seinem Brustpanzer schien seine schmale Statur nur noch zu unterstreichen. Er war sonnenverbrannt, als hätte die ägyptische Sonne vergeblich versucht, seine Haut irgendwie dunkler zu machen. Sein braunes Haar, das an den Spitzen von Sonne und Wind zu blonden Strähnen ausgeblichen war, umrahmte ein dreieckiges Gesicht – mit breiter Stirn und einer zarten Spitze am Kinn. Dieser kleine Mann hatte ganz und gar nichts Angsteinflößendes an sich.
Bis er sich zu mir umwandte. Erst dann war es, als würde ich in die kalten, toten Augen des krokodilköpfigen Dämons Amut blicken.
»Ach ja«, sagte er mit einem Lächeln. »Die Letzten aus dem großen Geschlechte der Ptolemäer.«
Er hatte Mutter den Rücken zugewandt, und ich sah, wie sie erstarrte, während er uns anschaute. Octavian schlenderte hin und her, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er blieb vor Ptoli stehen, da ihm offenbar seine Ähnlichkeit mit Tata ins Auge stach.
»Hmm«, murmelte er. »Kein Zweifel, wer dein Vater war.«
»Wer bist du?«, fragte Ptoli, der Nafres Hand festhielt.
»Ich bin Gaius Julius Caesar Octavianus«, sagte er.
Ptoli runzelte die Stirn. »Aber das ist doch der Name von Caesarions Tata. Der ist der einzige Sohn von Julius Caesar! Und du bist nicht Julius Caesar. Ich hab die Statuen gesehen, die Mutter von ihm hat. Du siehst gar nicht aus wie er!«
Vollkommene, tödliche Stille senkte sich über den Raum, während Octavian Ptoli musterte. »Ich bin der wahre und einzige Sohn des großen und göttlichen Julius Caesar, junger Mann.«
Ptoli machte ein verwirrtes Gesicht. Ich sah, dass Mutter Nafre ein Zeichen gab, sie solle ihn zum Schweigen bringen.
»Alle anderen, die solche Ansprüche erheben, sind Lügner und Hurensöhne«, fuhr Octavian so gleichmütig fort, als würde man bemerken, dass die Sonne an diesem Tage schiene.
Mein Herz fing an zu rasen. Das Gesicht meines kleinen Bruders war so offen und lesbar, ich wusste genau, dass die nächste Frage aus seinem Mund »Was ist eine Hure?« sein würde.
»Ptoli!«, rief ich. Er sah mich an, und ich schüttelte den Kopf, während ich betete, er möge verstehen, was ich ihm sagen wollte: Sag jetzt kein Wort mehr.
»Ah, die ptolemäische Tradition wird also fortgesetzt«, sagte Octavian. »Die gerissene Frau bringt den vertrauensseligen Mann zum Schweigen.« Er kniete sich auf Augenhöhe vor Ptoli hin. »Vermisst du deinen großen Bruder Caesarion?«
Mutter machte eine Bewegung und ich blickte zu ihr hinüber. Ihr Gesichtsausdruck ließ Schlimmes ahnen. Was ging hier vor? Was sah sie, das ich nicht erkannte?
»Ich vermisse auch meinen Tata!«, sagte Ptoli.
Octavian erstarrte, dann ließ er ganz leicht den Kopf im Nacken kreisen. »Ach so, ja. Mein armer, dem Untergang geweihter Schwager. Wie
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