Mondmädchen
sehr ich wünschte, es hätte nicht so enden müssen!«
Ich wollte losschreien: LÜGNER! Wie konnte Octavian es wagen, sich derart bei Ptoli einzuschmeicheln? Alexandros musste dasselbe empfunden haben, denn er sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Und wusstest du, kleiner Bruder, dass es dieser Mann hier war, der unserem Tata den Krieg erklärt und seinen Tod herbeigeführt hat?«
Ptoli schien verwirrt. Octavian fuhr zu Alexandros herum, sein Gesicht war wütend und düster. »Mir scheint man hat den ägyptischen Mischlingen nicht beigebracht, den Mund zu halten, wenn Erwachsene reden. Das wird sich ändern, wenn ihr erst einmal in Rom seid.«
»Reisen wir nach Rom?«, fragte Ptoli. »Ist dort unser Tata?«
Mutter bemühte sich ungerührt zu erscheinen, doch ich konnte die Panik in ihren Augen erkennen. Octavian hatte sich den Schwächsten von uns herausgepickt und er spielte mit ihm wie auf einer Leier. Mutter erhob sich. »Nafre, ich glaube, Ptoli hat genug für heute. Bitte bring ihn in seine Gemächer zurück.«
Octavian stand langsam auf und warf Mutter einen bösen Blick zu. »Ich bin der Einzige hier in diesem Raum, dem es zusteht, Befehle zu erteilen«, sagte er mit leiser Stimme.
Nafre hielte inne, nachdem sie sich schon umgewandt hatte, um Ptoli hinauszuführen.
»Und ich sage«, fuhr Octavian fort, »das Kind bleibt hier.«
Ptolis Amme blickte zu Mutter, die ihr stumm zuflüsterte: »Geh.«
Nafre setzte sich wieder in Bewegung.
»Bleib stehen!«, rief Octavian, sodass sie und Ptoli zusammenzuckten. Er ging zu ihr hinüber und packte sie am Handgelenk, bis sie Ptolis Hand losließ. »Wache!«
Eine der Wachen trat ins Zimmer. »Ja, Herr!«
»Nimm diese Dienerin und lass sie bestrafen, weil sie Caesars Befehlen nicht gehorcht hat.«
Der Mann packte Nafre am Oberarm. »Und die Strafe, Herr?«
Octavian ließ den Blick von unten nach oben über ihren Körper schweifen und grinste böse. »Alles, was die Männer wollen.«
»Nein«, schrie Nafre mit vor Angst geweiteten Augen.
»Das ist unerhört!«, sagte Mutter. »Du kannst sie nicht auf diese Weise behandeln! Sie ist die Amme meines Kindes!«
»Lasst sie los! Lasst sie los!«, schrie Ptoli. Er fing an, den Soldaten zu treten und zu boxen, der einen Arm ausstreckte, um ihn von sich zu stoßen.
»Halt!«, brüllte Mutter. Sie schien vor unseren Augen zu wachsen, so als hätte die löwenköpfige Göttin Sachmet sich ihres Körpers bemächtigt und würde nun eine markerschütternde Warnung knurren. Wie in alten Tagen verstummten alle sogleich und wandten sich ihr zu, sogar der wild um sich schlagende Ptoli und Octavian.
»Gewiss will der große Eroberer von Ägypten nicht als grausamer Mann bekannt werden«, sagte sie mit kühler und bedrohlich klingender Stimme. »Das wäre nicht gut für seinen wohlverdienten Ruf und sein wachsendes Vermächtnis als gnädiger Herrscher.«
Ich wusste aus Mutters Erzählungen, dass Caesarions Tata – also Octavians Adoptivvater Julius Caesar – berühmt war für seine Nachsichtigkeit und Gnade gegenüber denen, die er im Krieg besiegt hatte. Mutter ahnte offenbar, dass Octavian nichts lieber wollte, als so mächtig und großmütig zu erscheinen wie der große Caesar.
Octavian blinzelte. »Ja. Richtig. Wache, lass sie los.«
Ich atmete auf. Sie hatte die Situation gerettet. Der Soldat gehorchte, salutierte und als Octavian ihm mit einer Bewegung des Handgelenks ein Zeichen gab, verließ er den Raum. »Jedoch wollen wir diese unglückliche Begebenheit nutzen, um ein für alle mal klarzustellen, wer hier die Befehle erteilt.«
Mutter hatte keine andere Wahl, als sich zu fügen. Sie nickte, und ich konnte erkennen, wie viel Kraft es sie kostete.
Ptoli hatte sein Gesicht an Nafres Bauch vergraben, und ihre Hand zitterte, während sie ihm über die Locken strich. Ich blickte zu Mutter, in der Hoffnung, ihren Blick zu erhaschen, doch sie ließ Octavian nicht aus den Augen, so als wäre er eine gefährliche Schlange, die unerwartet zubeißen könnte, sobald sie auch nur blinzelte.
Octavian näherte sich wieder Ptoli und hockte sich vor ihm auf ein Knie. Mit sanfter Stimme sagte er: »Hab keine Angst, kleiner Mann. Deiner Amme passiert nichts. Und jetzt … schau mich an.«
Ptoli weigerte sich, schüttelte den Kopf und drückte sein Gesicht noch fester in Nafres Gewand.
»Wusstest du, dass ich in Rom zusammen mit deinem Tata aufgewachsen bin?«
Ptoli schniefte, drehte sein Gesicht ein klein wenig zu Octavian
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