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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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großzügig und ging sehr locker mit mir um – weswegen ich lieber sie fragte –, aber sie war zu Besuch bei einer Freundin. Ich hatte also keine andere Wahl, als auf Livia Drusilla zuzugehen.
    Bei meinem Anblick hörte Livia auf zu reden.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte ich. »Ich habe die meisten der Schriftrollen gelesen, die deine Dienerin mir gegeben hat. Ich bitte um Erlaubnis in die öffentliche Bibliothek gehen zu dürfen, um mir zusätzlichen Lesestoff zu besorgen.«
    Livia gab ihrer Sekretärin ein stummes Zeichen, woraufhin diese die hölzernen Tafeln mit den Wachsplatten zuklappte, den Kopf senkte und zurücktrat.
    »Nein.«
    »Aber …« Mit einer derart schroffen Antwort hatte ich nicht gerechnet. Ich räusperte mich. »Darf ich fragen, warum?«
    »Du kannst nicht in die ›öffentliche Bibliothek‹ von Rom gehen, weil es in Rom keine ›öffentliche Bibliothek‹ gibt«, antwortete Livia.
    »Das verstehe ich nicht. Wie ist das möglich? Selbst Pergamon hat eine gute Bibliothek. Wohin gehen eure Gelehrten, wenn sie forschen wollen?«
    Livia runzelte die Stirn und blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an. Ein Blick, der ein römisches Breitschwert zum Schmelzen gebracht hätte. Aber mich verleitete er nur dazu, mein Kinn noch etwas höher zu recken. Ihr Herrscherblick war gut, konnte aber bei weitem nicht an den Horus-Blick meiner Mutter heranreichen.
    »Die Gelehrten gehen in die Bibliotheken ihrer Gönner«, sagte Livia langsam.
    »Aber was ist, wenn der Gönner nicht das hat, was sie brauchen? Was tun sie dann?«
    »Dann fahren sie mit dem Schiff nach Alexandria, um in eurer – Verzeihung, vormals eurer – Bibliothek zu forschen. Aber nicht mehr lange. Bald werden die meisten der Schriftrollen hierhergebracht werden.«
    »Was?«
    »Ja. Wir werden die erste öffentliche Bibliothek von Rom errichten mit den Schriftrollen aus der Sammlung deiner Familie«, sagte sie. »Schon jetzt kommen mit jedem Schiff Schriftrollen aus Alexandria hier an. Bis die Bibliothek gebaut wird, werden die meisten davon im Tablinum meines Gatten aufbewahrt, und ich gestatte dir hiermit, es zu besuchen.«
    Unsere Bibliothek geplündert. Unvorstellbar, was für einen Verlust das für unsere Gelehrten bedeutete. Wut kochte in mir hoch, als ich ihr hämisches Grinsen bemerkte. Sie genoss es zu sehen, wie sehr mir die Nachricht von der Zerstörung unserer kostbaren Bibliothek zu schaffen machte! Diese Genugtuung würde ich ihr nicht gönnen. Ich setzte eine heitere Miene auf und lächelte sie an. »Ich danke dir für die Erlaubnis, Schriftrollen aus dieser neuen und wertvollen Sammlung zu lesen«, sagte ich und ging davon.
    Auf dem Weg zum Haus meines Feindes drängten sich die Bilder der endlosen Reihe von Toten und Sterbenden in Alexandria, von denen so viele Gelehrte an unserer Bibliothek gewesen waren, in meine Erinnerung, und ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Ich konnte nie sicher sein, wann diese Bilder in mir auftauchten und mir den Atem nahmen. Manchmal sah ich auch Tata vor mir, wie er sterbend in einer Blutlache lag. Oder ich hörte die Klagerufe unseres Volkes bei der Kunde von Mutters Tod.
    Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Warum sandten die Götter mir diese Visionen? War es, damit ich die Verbrechen gegen meine Familie und gegen mein Volk nicht vergaß? Um den Schmerz wachzuhalten, damit ich gerechte Vergeltung üben konnte, wenn ich erst wieder über Ägypten herrschte? Und wann würden Amunets Verbündete mit uns Kontakt aufnehmen? Wann würde etwas geschehen?
    Ich betrat Octavians Tablinum und marschierte direkt in eine Wand hinein – oder wenigstens fühlte es sich so an. Ich landete mit dem Hintern auf dem unebenen, gefliesten Boden, der mir die Rückseite der Oberschenkel zerkratzte. Überall fielen die Holzstäbe mit den Schriftrollen zu Boden und jemand fluchte auf Lateinisch. Ich blickte auf.
    »Bei den Göttern!«, sagte Juba. »Ich habe dich nicht gesehen! Alles in Ordnung mit dir?« Seine Hand streckte sich mir entgegen, um mir aufzuhelfen.
    »Was tust du denn hier?«, fragte ich und zog meine Tunika glatt.
    »Ich brauchte einige zusätzliche Schriftrollen für meine Studien«, sagte Juba. »Und du? Ich hätte gedacht, dass dies hier der letzte Ort wäre, wo du gerne sein möchtest.«
    »Ja, schon, aber ich habe keine andere Wahl, wenn ich etwas anderes lesen will als römische Lobpreisungen tugendhafter römischer Frauen«, gab ich zur Antwort und dachte dabei an

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