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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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sich. »Julius Caesar hat meinen Vater nicht getötet.«
    »Nicht?«
    »Nein, hat er nicht. Mein Vater und sein Verbündeter, der römische Feldherr Petreius haben Selbstmord begangen, indem sie gegeneinander gekämpft haben, bevor Caesars Legionen eingefallen sind. Sie sind einen ehrenwerten Tod als Krieger gestorben.«
    Ich senkte den Blick und schluckte. Genau das hatte auch Tata gewollt – einen ehrenwerten Tod als Krieger. Aber das hatte Octavian ihm genommen.
    »Und was ist mit deiner Mutter geschehen?«, fragte ich.
    Juba zögerte. »Ich weiß es nicht.«
    Ich merkte, wie mir der Mund offen stehen blieb. »Aber wie kann es sein, dass du nicht weißt, was mit deiner eigenen Mutter geschehen ist, der Frau, die dir das Leben geschenkt hat, der Königin deines rechtmäßigen Königreichs?«
    Er zuckte die Schultern. »Die Vernichtung meiner Familie war hier in Rom kein besonders beliebtes Thema.«
    »Wurde sie ermordet?«, fragte ich. »Haben sie deine Brüder und Schwestern in der Wüste abgeschlachtet, so wie sie es mit Caesarion gemacht haben? Warum haben sie dich geschont und sonst keinen aus der königlichen Familie? Hat deine Mutter lange genug gelebt, um …«
    »Ich habe gesagt, ich weiß es nicht.«
    »Aber warum hast du nicht …«
    »Die Frage nach dem Warum ist eine müßige Sache«, unterbrach er mich. »Glaubst du, ich hätte mich nie gefragt, warum man mich verschont und den Rest meiner Familie getötet hat? Glaubst du, ich hätte mich nie gefragt, wie meine Mutter wohl war? Oder hätte es nie bedauert, keinen Vater an meiner Seite zu haben? Die entscheidende Frage ist nicht ›Warum wurde ich verschont?‹, sondern ›Was fange ich mit diesem Leben an, das die Götter zu bewahren beschlossen haben?‹«
    Ich war erstaunt von seiner Heftigkeit. Sonst wirkte er immer so ruhig und unerschütterlich. »Du bist also ein Stoiker«, murmelte ich und erinnerte mich an Euphronius’ Unterrichtsstunden.
    »Ja, das stimmt. Ich bin ein Stoiker. Ich vergeude meine Leidenschaft nicht für Dinge, die bereits geschehen oder nicht mehr zu ändern sind.«
    »Aber wo liegt die Grenze, dass man sein Schicksal annimmt oder sich einfach alles gefallen lässt? Ich will nicht unhöflich sein, aber hättest du als rechtmäßiger König von Numidien nicht darum kämpfen sollen, die Kontrolle über das zu gewinnen, was dir von Geburt an zusteht?«
    Er lachte verächtlich auf. »Wenn du einen Weg gefunden hast, Rom daran zu hindern, zu tun, was immer es will, dann lass es mich bitte wissen.« Und damit griff er nach seinen Schriftrollen und verließ den Raum.
    Schuldbewusst blickte ich auf meine Hände. Juba war einer der wenigen Menschen hier in Rom, der meine Brüder und mich mit Respekt und Freundlichkeit behandelte. Ich hätte ihn nicht derart in die Enge treiben dürfen. Schlimmer noch, ich hatte ihn verurteilt, obwohl ich selbst keinen Deut besser war. Was hatte ich denn unternommen, um etwas an meiner Situation zu verändern?
    Wir waren nun schon seit zehn Monaten in Rom und immer noch hatte kein Verbündeter mit uns Kontakt aufgenommen. Die Erinnerung an die ermordeten Priesterinnen und Priester brachte einen neuen, besorgniserregenden Gedanken mit sich. Was war, wenn es gar keine Verbündeten in Rom gab? Was war, wenn Octavian jeden einzelnen Menschen hatte kreuzigen lassen, der uns hätte helfen können? Was war, wenn wir wirklich diesem grausamen Schicksal ausgeliefert waren und niemals nach Ägypten zurückkehren würden, um dort zu regieren?
    Mich schauderte. Nein. Amunet hatte mich angewiesen, zu warten und auf Isis zu vertrauen. Und genau das würde ich tun – ich würde der allmächtigen Göttin vertrauen. Ich hatte gar keine andere Wahl.
~  Kapitel 21  ~
    In dem Jahr, welches das 22. Jahr
der Regentschaft meiner Mutter gewesen wäre
In meinem 12. Jahr
29 v.d.Z.
    Das Gemälde schien den gesamten Himmel einzunehmen. Eine üppige Frauengestalt, hellhäutiger und fülliger, als Mutter es je gewesen war, lag nackt ausgestreckt da, den Kopf zurückgeworfen, die Augen geschlossen wie vor Schmerz oder Ekstase. Die Künstler hatten noch ein paar plastisch wirkende Akzente hinzugefügt – eine goldfarbene Uräuskrone auf ihrem Kopf; vergoldete Armreifen an ihren Handgelenken und eine riesige Stoffschlange, die im Wind hin und her geweht wurde und mit den Zähnen an ihrer Brust befestigt war.
    Acht Männer hielten das Bildnis an kräftigen Holzstangen in die Höhe. Auch wenn es nur Fackeln als Beleuchtung gab,

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