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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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spürte ich, wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Alexandros wich meinem Blick aus. Er war ebenso entsetzt wie ich. Ptoli schien das alles nicht zu verstehen.
    »Bei Herakles!« Er schrie fast, als er es erblickte. »Seht euch mal die Schlange an! Ist die Frau daran gestorben?«
    Ich konnte nicht sprechen.
    »Ptoli«, sagte Alexandros leise, da die Menschen unsere Reaktion genau beobachteten. »Das da soll … es soll unsere Mutter darstellen.«
    Ptoli sah wieder zu dem Bild empor. »Aber so hat Mutter doch gar nicht ausgesehen! Und diese Frau hier hat gar keine Kleider an!«
    Die Soldaten und Diener, die überall mit Fackeln herumliefen, lachten und machten anzügliche Geräusche.
    »Ptoli, sieh mich an«, sagte ich. Er richtete seine mit Kajal umrandeten Augen auf mich, sein goldgestreifter Kopfputz aus Ägypten glitzerte im Licht der ersten Sonnenstrahlen. Octavian hatte angeordnet, dass wir unsere förmlichen Königsgewänder von zu Hause anziehen sollten. »Denk an das, was wir besprochen haben! Die Leute werden heute schreckliche Dinge über Mutter und Tata sagen. Wir müssen stark sein und so tun, als würden wir sie nicht hören.«
    Ptoli kniff sein Gesicht zu einer übertrieben finsteren Miene zusammen. »Das ist doch dumm!«
    »Aber wir können nichts dagegen tun.«
    Genau ein Jahr nach Mutters Tod wollte Octavian nun endlich seinen Sieg über meine Eltern mit einem dreifachen Triumph feiern – drei Tage voller Paraden, gefolgt von Gladiatorenkämpfen und Festgelagen. Abgesehen von dem Wein, der kostenlos ausgeschenkt wurde, war der Höhepunkt eines jeden Tages die ausgiebige Verhöhnung der »Feinde Roms«, die in Ketten im Triumphzug mitgeführt wurden, um schließlich hingerichtet zu werden. Ihre Leichen wurden anschließend auf den Stufen des Forums abgeladen. Zwei frühere Verbündete von Tata waren am Tag zuvor durch die Stadt getrieben und hingerichtet worden.
    »Aber uns werden sie nicht umbringen«, hatte Alexandros gerade noch betont. »Juba und Marcellus haben beide gesagt, dass wir nach dem Triumph wieder zum Haus zurückgebracht werden, wo wir in Sicherheit sind.«
    Auch Octavia hatte versucht, uns zu trösten. »Bald wird alles überstanden sein«, hatte sie am Morgen gesagt, während sie Ptoli noch einmal fest in die Arme nahm. »Und dann wird alles wieder gut.«
    Mich fröstelte trotz der Hitze. Der Schweiß ließ bereits die Falten meines weißen Leinenkleides an meinen Rücken kleben, obwohl die Sonne gerade erst ihre Strahlen über die Hügel sandte. Hochsommer in Rom war schlimm genug auch ohne einen langen Marsch durch die staubige, verräucherte, überfüllte Stadt. Selbst hier – vor den Toren der Stadt – konnte man noch riechen, wie die Straßen nach Urin, Erbrochenem und Wein stanken.
    Eiserne Ketten, die mit Goldfarbe bemalt waren, verbanden mich und meine Brüder durch Fesseln an unseren Hälsen. Die schweren, riesigen Kettenglieder schleiften zwischen uns über den Boden. Ich kratzte mich unter der geflochtenen Festtagsperücke, die man mich zu tragen gezwungen hatte. Es war zu heiß für eine so schwere Perücke, aber wir sollten so ägyptisch wie möglich aussehen. Octavian wollte nicht, dass sich die Leute daran erinnerten, dass wir die Kinder ihres beliebtesten Feldherrn waren, und auch nicht, dass hier der Triumph eines Römers über einen anderen Römer gefeiert wurde.
    Alexandros machte ein Geräusch und bewegte leicht den Kopf. Octavian kam zu uns herüber. Der römischen Tradition folgend war sein Gesicht von roter Farbe bedeckt, um die Statue des großen Gottes im Tempel des Jupiter Optimus Maximus nachzuahmen. Es war das erste Mal, dass wir ihn sahen, seit den schrecklichen Tagen in Alexandria. Er grinste uns im Vorbeigehen an, was mir einen kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ. Die scharfen kleinen Zähne in seinem roten Gesicht ließen ihn aussehen, als hätte er gerade erst den Kopf gehoben, nachdem er ein wildes Tier gerissen und sich daran gelabt hatte.
    Octavian ging zu seinem Streitwagen, der hinter uns herangerollt worden war. Ich stöhnte. Das bedeutete, dass wir direkt vor ihm hergetrieben werden würden als seine »wertvollsten« Gefangenen. Da Mutter dieser erniedrigenden Behandlung entkommen war, würden wir sie an ihrer statt erdulden müssen.
    Ich sah zu, wie sich die römischen Senatoren hinter Octavian aufstellten. Zwei weißhaarige Männer in verzierten Togen sprachen wild gestikulierend auf ihn ein. Ich rückte ein Stück

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