Mondmilchgubel Kriminalroman
tun. Sag mal, kennst du Manuel Vinzens schon länger?«
»Etwas über zwei Jahre. Er hat an einem meiner Seminare teilgenommen.«
»Siehst du, auch das habe ich nicht gewusst.«
»Ist auch nicht weiter wichtig. Findest du nicht, dass Manuel und Iris sich in mancher Hinsicht ähnlich waren?«
»Ja, das stimmt. Er leidet sehr, will aber keine Hilfe.«
»Viele Männer erfahren Heilung, wenn sie sich zurückziehen. Mach dir keine Sorgen, in der Natur wird er wieder zu sich finden.«
»Iris war in der Natur immer so unbeschwert«, erwidert Viktoria traurig. »Wie schrecklich, dass sie ausgerechnet im Mondmilchgubel sterben musste.«
Die beiden Frauen schauen sich an, jede berührt von der Trauer der anderen.
Nach einer längeren Pause merkt Lisa an, sie habe im Frühling im Mondmilchgubel ein Erdbewusstseinsritual durchgeführt habe.
»Auch das hat Iris mir verschwiegen.«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Du weißt ja, wie eigenwillig unsere Iris sein konnte.«
»Vielleicht wollte sie sich ganz einfach nicht meinen Zweifeln aussetzen?«
»Ja, vielleicht.«
»Iris hat mir die Natur nähergebracht. Trotzdem konnte ich im feinstofflichen Bereich vieles nicht nachvollziehen. Sie sprach von den Naturwesen, als könne sie jedermann sehen. Ich bin mir manchmal ganz schön dämlich vorgekommen. Kannst du mir sagen, weshalb nicht alle Menschen hellsichtig sind?«
»Eine gute Frage. Es wird allgemein angenommen, dass die Fähigkeit des Hellsehens beim gewöhnlichen Menschen zwischen der Jungsteinzeit und der Antike erlosch. Je mehr sich die Ausbildung des verstandesmäßigen Denkens verstärkte, desto mehr nahm die hellseherische Fähigkeit ab.«
»Oh je, dann muss ich mich wohl oder übel damit abfinden, nicht zu den Auserwählten zu gehören.«
»Versuche, deinen Eingebungen zu vertrauen. Du bist übrigens jederzeit in meinen Erdbewusstseinsseminaren willkommen, falls du Lust hast, mehr über die Natur zu erfahren. Leider wissen viele Menschen nicht, dass sie aus derselben Materie bestehen wie die Erde.«
»Bloß erneuert sich die Natur laufend, während ich täglich mit ansehen muss, wie mein Körper altert.«
»So schlecht ist der deine doch gar nicht.«
»Das sagst du.«
»Ein guter Wein reift langsam.«
Viktoria verdreht die Augen. »Alt zu werden ist schlicht und einfach unerträglich.« Sie hört ihr Handy surren. Fluchend durchwühlt sie ihre Handtasche.
Lisa zeigt auf das Bierglas.
Viktoria greift nach dem Gerät und schnaubt: »Eine richtig miese Erfindung. – Was, Sie schon wieder! Ich kann nicht einmal in Ruhe mein Bier trinken.«
»So schön möchte ich es auch haben«, ertönt es am anderen Ende. »Haben Sie den jungen Honegger besucht?«
Sie bejaht, erwähnt auch Kunos Besuch. Da Möller wie immer in Eile ist, lässt sie sich nicht über Details aus. Sie wendet sich wieder Lisa zu. »Das war der Mann von der Kripo.«
»Ich erinnere mich. Ein netter Kerl.«
»Stur und hartnäckig«, gibt Viktoria zurück. »Entschuldige, wenn ich das Thema wechsle, aber sagt dir der Name Bruno Edelmann etwas?«
»Ja, sicher. Er hat kürzlich an einem meiner Seminare teilgenommen.«
»Tatsächlich?«
»Es könnte im Frühling gewesen sein. Warte, ich schaue in meiner Agenda nach. Ja, es war Ende April.«
»Hat Iris ihn angeschleppt?«
»Ja. Er zeigte reges Interesse für das Thema Naturheilung.«
»Hat Iris dir erzählt, dass sie von ihm belästigt wurde?«
»Ja, allerdings hat sie es etwas anders ausgedrückt.«
»Darf ich fragen, wozu du ihr geraten hast?«
»Ich habe ihr geraten, davon abzusehen, ihn retten zu wollen.«
»Und, hat sie deinen Rat befolgt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich verstehe nicht, warum sie ihn zu diesem Seminar mitgenommen hat. Damit hat sie seine Hoffnungen auf eine Beziehung mit ihr doch noch mehr geschürt.«
»Da stimme ich dir zu. Der Mann schien völlig vernarrt in sie zu sein.«
»Könntest du dir vorstellen, dass er Iris ermordet hat?«
Lisa zieht ratlos ihre Schultern hoch.
»Warum hat Iris ihn nicht angezeigt?«
»Wir dürfen die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie ihn gemocht hat. Zumindest hat er ihr leid getan.«
»Mein Gott, wie konnte sie so naiv sein. Die Polizei glaubt übrigens, dass Kari Honegger der Täter ist.«
»Der Mann mit den Eiern?«
»Ja.«
»Und was denkst du?«
Sie erzählt von Iris’ Brief.
»Verstehe. Bei einer solchen Tragödie spielen viele Faktoren eine Rolle. Ablehnung kann in Hass umschlagen und die Liebe
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