Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Lisandra aus dem Weg räumen sollte.
„Versprichst du mir, das nächste Mal jemanden um Hilfe zu bitten, der fliegen kann?“, fragte er.
„Nein.“
„Es täte mir sehr leid, Thuna, wenn du auf diese überflüssige Art und Weise ums Leben kämst. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass dein Tod für Amuylett eine Katastrophe wäre !“
„Für mich wäre es auch eine Katastrophe. Deswegen passe ich gut auf mich auf. Verlassen Sie sich darauf!“
Thuna hörte sich selbst reden und konnte nur darüber staunen, wie wenig Respekt sie vor Grohann, dem Regierungszauberer, hatte. Es lag vermutlich daran, dass sie Grohann, dem Enkel eines Fauns, zu sehr vertraute.
„Wann gehen wir mal wieder Pollux besuchen?“, fragte sie.
Der Steinbockmann hob erstaunt den Kopf, was ihn noch größer machte.
„Wünsche missachten und selbst welche äußern?“
„Ja“, sagte Thuna und wagte ein Lächeln. „Weil Sie nämlich auch gerne in den Wald gehen!“
Grohann verfügte über eine große Anzahl von ernsten Gesichtsausdrücken. Gerade wechselte seine Miene von belustigt-ernst-drohend in besorgt-traurig-drohend.
„Ich kann Sumpfloch gerade nicht verlassen.“
„Das ist schade.“
„Das ist es. Gib mir mal eine deiner Sternenstaubschachteln!“
Er hielt ihr seine große graubraune Hand hin und sie suchte in ihren Tüchern nach einer passenden Dose oder Schachtel. Sie hätte ihm jede geben können, aber hier bemerkte sie an sich doch eine gewisse Verlegenheit. Es sollte nicht gerade die Gammler Käserollenschachtel sein, auch nicht die Dose, auf der lauter Herzkekse abgebildet waren. Nein, auch das Ziegenkäsekörbchen war unschicklich, wenn man es mit einem Steinbock zu tun hatte. Da – eine rostige Gewürzdose, auf der blühende Zwiebeln abgebildet waren – das passte.
Sie legte Grohann die Dose in die Hand und schaute neugierig zu, was er damit vorhatte. Er wandte sich vom Fenster ab, sodass sein Schatten auf die Dose fiel, und öffnete sie.
„Du weißt, dass Sternenstaub kein direktes Sonnenlicht verträgt?“
„Nein, wusste ich nicht. Aber es klingt einleuchtend.“
Die Dose lag in seiner linken Hand und er bedeckte sie mit seiner rechten Hand, sodass die geöffnete Dose ganz darunter verschwand. Dann hob er die Hand wieder und verschloss die Dose mit dem Deckel.
„Hier!“, sagte er. „Die behältst du und gibst sie nicht Lisandra.“
Sie nahm die Dose entgegen und sah ihn fragend an. Ohne es zu merken, wechselte sie in die wortlose Sprache, in der sie sich so oft mit Grohann verständigte. Sie bekam eine Antwort, die sie nicht viel klüger machte, doch davon abhielt, noch weiter zu fragen. Er antwortete so etwas wie: Warte ab und beobachte!
Grohanns und Thunas Wege trennten sich. Er schlug den Weg zum Hungersaal ein, während sie noch auf dem gleichen Stockwerk blieb, um ihre Sternenstaubvorräte an einem sicheren Ort zu verstecken. Sie wartete d a rauf, dass die Geräusche von Grohanns Hufen verklangen, doch kurz bevor es so weit war, besann sie sich anders und rannte ihm hinterher, einer plötzlichen Eingebung folgend.
„Grohann?“, rief sie, als sie ihn fast eingeholt hatte.
„Ja?“
„Ist Lisandra in Gefahr?“
Grohann blieb stehen und wartete darauf, dass Thuna bei ihm ankam. Der Ausdruck seiner Augen fiel diesmal in die Kategorie ernsthaft-warnend. ‚Frag mich besser nicht zu viel!’, sagten diese Augen. Doch laut sagte er:
„Ja. Es liegt in der Natur ihres Talents.“
„Das meinte ich nicht! Ich meinte – ist sie wegen Ihnen in Gefahr?“
Thuna legte in ihren Blick all die Dringlichkeit und Einforderung von Ehrlichkeit, die ihrem Wesen eigen war. Er gab ihr daraufhin in der wortlosen Sprache zu verstehen, dass Lisandra tatsächlich in Gefahr sei. Aber nicht seinetwegen.
Thuna wollte es zu gerne glauben, doch wer sagte ihr, dass sie es glauben durfte? Auf ihre wortlose Frage, ob sie sich auch wirklich darauf verlassen könne, nickte er. Mehr als dieses Nicken bekam sie nicht, da Grohann sie jetzt ohne ein weiteres Wort verließ.
Thuna starrte gedankenvoll in den Sonnenschein hinaus. Würde der Steinbockmann sie belügen? Wenn man es vernünftig betrachtete, lautete die Antwort: Ja, natürlich würde er sie belügen, wenn es seinen Zielen diente. Jederzeit. Aber Thunas Herz sagte Nein. Nein, er würde sie nicht belügen. Er musste die Wahrheit gesagt haben!
Thuna verstaute nun ihre Sternenstaub-Vorräte und nahm einige der Schachteln für Lisandra mit
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