Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Lisandras Gesundheitszustand auf dem Laufenden halten. Und darüber, ob sie ernsthaft beschädigt wurde.“
Jetzt platzte Estephaga der Kragen. Lisandra sah mit einem Auge (das andere war mittlerweile zugeschwollen), wie die Lehrerin für Heil mittel kunde ihre Arme in die Seiten stemmte und sich kerzengerade aufrichtete.
„Wie wäre es gewesen, wenn Ihre Vorgesetzten diesen Unfall verhindert hätten? Oder diesen bösartigen, alten Mann erst gar nicht auf ein hilfloses Mädchen losgelassen hätten? Ist das an Scheinheiligkeit noch zu übertreffen?“
Lisandra konnte es nicht sehen, doch sie war sicher, dass Estephagas Reptilienpupillen sehr schmal geworden waren und dass ihre lange, blaue Zunge hervor geschnellt war, ein Signal, das den Schülern normalerweise anzeigte, dass sie jetzt besser taten, was die Lehrerin von ihnen wollte. Die Maküle beeindruckte das allerdings nicht.
„Ich stelle die Pläne meiner Vorgesetzten nicht infrage. Zu menschlichen Interpretationen, die Scheinheiligkeit, Bösartigkeit oder die Hilflosigkeit anderer Lebewesen betreffen, äußere ich mich nicht, da diese schwammigen und emotional besetzten Begriffe keine messbaren Ergebnisse liefern und somit auch nicht handlungsrelevant sind.“
„Meine Liebe“, sagte Estephaga bittersüß, „ ich frage mich, wie emotional relevant diese Begriffe eines Tages für Sie sein werden, wenn ein Magichaniker daherkommt und Sie Schräublein für Schräublein auseinandernimmt, weil die Effektivität I hrer Baureihe nicht mehr den aktuellsten Standards entspricht!“
„Sie sprechen mich auf mein Ableben an?“
„Falls Ihnen dieser Begriff nicht zu schwammig ist?“
„Für das Ableben einer Maküle gibt es eindeutige Maßstäbe, damit habe ich kein Problem. Sie können nun gerne mit der Behandlung Ihrer Patientin beginnen!“
Lisandra konnte nicht sagen, welcher Schmerzverri ngerungsmaßnahme es zu verdanken war – der von Estephaga oder der von der Maküle – jedenfalls fühlte sie kein Leid mehr, nur einen schläfrigen Zustand der Erschöpfung. Sie hörte auch eine leise Musik in ihrem Kopf, die ihr gefiel. Es war wie ein Glöckchenklang, silbrig, leicht, funkelnd, fein und zart. Sie träumte einen schönen Traum, an den sie sich später nicht mehr erinnern konnt e. Doch als sie am Abend aufwachte, konnte sie wieder mit beiden Augen sehen und die Zahnlücke in ihrem Mund war verschwunden. Sie war zwar von Schrammen und Kratzern übersät und hier und da fand sich eine verkrustete Wunde mit blauen und gelben Flecken drumherum, doch ansonsten ging es Lisandra erstaunlich gut.
„Alles klar?“, fragte eine Stimme, die Lisandras Herz hüpfen ließ, weil sie ihr so bekannt vorkam.
„Geicko!“, rief sie erfreut und drehte den Kopf. Doch sie stutzte sogleich – denn es war nicht Geicko, der an ihrem Bett saß.
„Wer ist Geicko?“, fragte Haul. „Muss ich den kennen?“
Der Gespenster-Leibwächter lächelte und die Pupillen-Flammen in seinen Silberaugen flackerten lebhaft.
„Willkommen in der Mannschaft der verzweifelten Yu Kon-Schüler!“, sagte er. „Jetzt weißt du, woran du bist!“
„Uuuh – er hat es sich nicht anders überlegt? Er fand mich doch so jämmerlich !“
„Lektion eins: Er bringt dich dazu, ihn zu fürchten und zu hassen. Lektion zwei: Er wird nicht aufhören, dich zu quälen, und grundsätzlich niemals mit dem Ergebnis zufrieden sein. Lektion drei: Irgendwann ist der Winter vorbei, Yu Kon macht der Sonne Platz und wir können uns gegenseitig auf die Schulter klopfen, denn dann haben wir es geschafft!“
Lisandra nickte. Sie musste nur durchhalten. Irgendwie. Es blieb ihr ja auch nichts anderes übrig.
Kapitel 7: Der Goldlöwe im Winterwald
„Viel Spaß auch!“, sagte Scarlett bissig, als Thuna am Sonntag noch vor Morgengrauen aufstand, sich leise im Zimmer anzog und versuchte, das Zimmer 773 unbemerkt zu verlassen. Das hatte also nicht geklappt. Scarlett war wach und gab ihrer Verachtung Ausdruck.
„Danke!“, erwiderte Thuna leise.
„Denk an Lisandra!“, flüsterte Scarlett zischend.
„Was ist mit mir?“, fragte Lisandra schläfrig.
„Schlaf ruhig weiter“, sagte Scarlett. „Thuna möchte nur ihren Sonntag mit dem Typen verbringen, der dir Yu Kon auf den Hals gehetzt hat.“
„Könnt ihr mal leiser sein?“, klagte Maria, der das alles gerade herzlich egal war.
Thuna setzte dem Geflüster ein Ende, indem sie wortlos aus der Tür ging und diese hinter sich schloss. Es fiel ihr nicht
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