Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
spielte und zu der Einsicht gekommen war, dass Mädchen es nicht interessant finden, wenn man ihnen zu offensichtlich nachsteigt. Maria schließlich glaubte, dass Hanns’ Liebe für Scarlett erloschen war. So etwas passierte doch ständig. Sie verstand gar nicht, warum ihre Freundinnen ein Rätsel vermuteten, wo mittlerweile gar keines mehr war.
Scarlett hätte zu dieser Diskussion noch eine wichtige Information beitragen können, doch sie zog es vor, diese zu verschweigen. Sie war Hanns nämlich an jenem Abend begegnet, nachdem sie von Grohann verhört worden war. Er war zwischen zwei Ritterrüstungen aufgetaucht, die sie zum Abbau ihrer bösen Kräfte scheppernd zu Fall gebracht hatte, und wollte wissen, was los war.
„Geh mir aus dem Weg!“, hatte sie gebrüllt. „Dich kann ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen!“
„Warum?“
Scarlett wusste nicht mehr genau, was sie geantwortet hatte. Sie wusste nur, dass sie eine unsympathische, gemeine Hexe war, wenn sie mal ihrer Wut und ihrer schlechten Laune freien Lauf ließ. Sie musste Hanns sehr persönliche und hässliche Dinge an den Kopf geworfen haben. Vermutlich hatte sie ihm auch vorgehalten, dass er stotterte, zuzutrauen wäre es ihr in so einer Situation. Im Nachhinein war es ihr sehr unangenehm und sie spielte häufiger mit dem Gedanken, sich bei ihm zu entschuldigen. Doch andererseits hatte sie auf diese Weise bekommen, was sie wollte, nämlich ihren Frieden.
„Sprich nicht mehr mit mir, schau mich nicht an, tu einfach so, als wäre ich gar nicht hier mit dir auf einer Schule. Könntest du mir diesen einen Gefallen tun? Bei unserer alten Freundschaft?“
So hatte ihre Rede geendet und der Tonfall, den sie dabei angeschlagen hatte, war verächtlich und giftig gewesen. Hanns hatte kühl geantwortet:
„Wie du willst.“
Und daran hatte er sich seitdem gehalten.
Wenn er sie jetzt hasste, hatte sie es also nicht besser verdient. Vielleicht war das gut so. Doch Pein und Scham stiegen jedes Mal in Scarlett auf, wenn sie daran dachte, wie fies sie zu ihm gewesen war. Oft konnte sich Scarlett selbst nicht leiden. Vor allem dann, wenn Gerald nicht da war. Wenn er vor ihr stand, konnte sie in seinen Augen eine Scarlett erkennen, die schön, gerecht und liebenswert war. War er fort, fehlte ihr diese angenehme Selbstwahrnehmung. Konnte es sein, dass Gerald sich ein völlig falsches Bild von ihr machte? Was würde passieren, wenn er herausfand, dass viel mehr von einer bösen Cruda in ihr steckte, als ein gutmütiger Mensch wie er ertragen konnte ?
Hanns und Haul waren ebenso entschlossen, das Silberschwert zu finden, wie Lisandra. Auch sie warteten immer noch auf die erste Lektion vom silbernen Raben. Lisandra gab zu bedenken, dass der niederträchtige Yu Kon womöglich eines Tages abhauen würde, ohne ihnen auch nur eine der silbernen Lektionen erteilt zu haben.
„Er hat es seinem Meister versprochen, dass er jedem Schüler diese Lektionen geben wird“, sagte Haul. „Ich glaube, sein Meister ist das Einzige in dieser Welt, wovor er jemals Respekt gehabt hat.“
„Lebt der Meister noch?“
Hanns und Haul lachten.
„Falls du von Otemplos, dem Titan des Anbeginns sprichst – nein, der lebt wohl nicht mehr, jedenfalls nicht unter uns Sterblichen.“
Lisandra runzelte die Stirn.
„Otemplos soll sein Lehrer gewesen sein?“
„Er behauptet es.“
„Das ist doch eine Lüge! Wahrscheinlich gibt es das Silberschwert gar nicht und die Lektionen gibt es auch nicht!“
„Er ist anders, wenn er vom Silberschwert spricht“, sagte Hanns. „Es ist ihm heilig. Deswegen werden wir die Gelegenheit bekommen, es zu finden. Natürlich werdet ihr beiden leer ausgehen, weil ich es bekomme!“
„Du kannst besser zaubern als ich“, sagte Haul, „aber dir fehlt der letzte Biss. Das Schwert gehört in meine Hände, ich kann es schon darin fühlen!“
„Jungs“, sagte Lisandra, „es wird das geschehen, womit keiner rechnet: Das Schwert geht an das Mädchen, das alle chronisch unterschätzen!“
„An wen?“, fragte Hanns. „An Maria?“
Haul lachte.
„Dich unterschätzt doch keiner, Lockenköpfchen. Ich glaube, du wärst das einzige Mädchen, das ich kenne, dem ich mein Silberschwert mal ausleihen würde. Wenn du mich sehr höflich darum bittest!“
„Ich würde es ihr nicht geben“, sagte Hanns. „Am Ende macht sie es noch kaputt.“
Jetzt lachten sie alle.
„Du, Hanns“, begann Lisandra, „gibt es denn jemanden, dem du dein
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