Mondscheingeflüster
Familien überwerfen müssen.«
»Ich hatte weiß Gott keine Familie mit Geld«, sagte Linda.
»Ich auch nicht«, stimmte Patrick zu.
»Aber ihr habt immer gegen die gewettert, die das viele Geld haben. Ihr habt doch immer gesagt, eigentlich müsste man es ihnen wegnehmen, eigentlich müsste man das alles umverteilen, es darf niemanden geben, der mehr hat als die anderen. Ich kann euch nur sagen, mit den hunderttausend Dollar da in dem Koffer habt ihr wesentlich mehr als viele andere. Aber auf einmal redet keiner mehr von Umverteilung.«
»Das ist ja wohl etwas anderes«, sagte Greg wütend.
Lucy sah ihn ruhig an. »Und was ist daran anders?«
»Herrgott, Lucy, jetzt sei doch nicht so penetrant«, rief Chick. »Wenn wir einmal im Leben etwas Geld haben ... Wir haben doch nichts zu tun mit den Großverdienern, bei denen es jeden Tag auf dem Konto klingelt. Sollen wir unsere paar Mäuse jetzt einem Obdachlosenasyl spenden, oder was?«
»Es würde zumindest besser zu dem passen, was ihr immer gesagt habt!«
»Chick hat es ja schon gesagt, Lucy«, schaltete sich Linda wieder ein, »du kannst dich jederzeit von uns trennen. Du musst nicht mitkommen, wenn dir alles, was wir tun und wie wir leben, auf die Nerven geht.«
Lucy schwieg. Sie spürte die teils abwartenden, teils feindseligen Blicke der anderen. Schließlich sagte sie: »Was wird nun mit Ted? Wir müssen ihn freilassen.«
»Ja, damit er der Polizei sofort erzählt, wo wir sind, und sie uns möglichst verhaften, bevor wir abhauen können!«, höhnte Greg. »Du spinnst, Lucy. Er bleibt hier. Über kurz oder lang findet ihn jemand, und ...«
Lucy starrte ihn fassungslos an. »Wie bitte? Ihr wollt ihn hier in diesem Keller eingesperrt lassen? Ihr seid ja wohl wahnsinnig! Das könnt ihr nicht machen. Was heißt denn ›über kurz oder lang‹ findet ihn jemand? Was, wenn es länger als lang dauert? Er kann hier unten sterben, ohne dass es irgendjemand merkt!«
»Wir lassen ihm ausreichend Essen und Trinken da. Er kann sich damit eine ganze Zeit über Wasser halten. Wenn wir hier verschwunden sind, wird das ziemlich bald den Leuten oben im Haus auffallen, sie werden herunterkommen und nachsehen, und schon haben sie den lieben Ted gefunden. Er kann ja sprechen, also kann er sich bemerkbar machen.«
»Das ist unmöglich. Die andere Seite hat alle Bedingungen erfüllt, jetzt müssen wir auch ...«
»Die andere Seite steht bis an die Zähne bewaffnet bereit, uns festzunehmen, also müssen wir vorsichtig sein. Es ist für uns nur von Vorteil, wenn man Ted erst einige Tage nach unserem Verschwinden entdeckt!«
»Ich habe das dumme Gefühl, Lucy wird dabei nicht mitmachen«, sagte Linda. »Und du solltest wissen, Lucy, dass ...«
»Was?«, fragte Lucy.
Linda lächelte. »Zur Not sperren wir dich auch ein. Auf jeden Fall lassen wir uns durch dich nicht alles kaputtmachen. Verstehst du? Vielleicht würde es dir ja ganz gut gefallen - dort in dem Verlies, ein paar Tage mit dem schönen Ted zusammen. Überleg mal, wie aufregend das wäre!«
Sie warteten auf einen Anruf. Irgendwann müsste doch alles vorbei sein, da sie alles getan hatten, was von ihnen verlangt worden war. Irgendwann müsste das Telefon schrillen, und Ted müsste sich melden. »Ich bin es, Ted. Ich bin frei. Holt mich ab. Ich bin ...«
Das Telefon blieb stumm.
Sie saßen da und starrten den Apparat an: Sergeant Morton, zwei weitere Beamte, Mike, Kathrin, Kathrins Eltern und Teds Vater. Jane hatte Beruhigungsmittel bekommen und lag daheim im Bett; ein Polizist hielt dort am Telefon Wache, weil Ted höchstwahrscheinlich bei sich zu Hause anrufen würde.
»Es ist sogar ziemlich unwahrscheinlich, dass er hier anruft«, knurrte Morton. »Aber auf jeden Fall würden wir hier sofort verständigt, und dass sich noch niemand gemeldet hat, weist leider eindeutig darauf hin, dass sich Ted noch nicht auf freiem Fuß befindet.«
Teds Vater sah aus, als habe er seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen und als werde er die Nervenanspannung nicht mehr lange durchhalten.
»Ich verstehe das nicht! Warum lassen sie ihn nicht laufen? Sie haben bekommen, was sie wollten! Wenn sie noch weitere Forderungen hätten, dann müssten sie sich melden. Warum diese Stille? Warum nicht das geringste Lebenszeichen?«
»Vielleicht wollen sie die Stadt verlassen und brauchen einen Vorsprung. Wer weiß, wie gut sie sich gegenüber ihrem Opfer getarnt haben. Ted ist unter Umständen ziemlich gefährlich für
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