Mondscheingeflüster
auf dem Hof erschossen. Es gelang dem Stallverwalter später herauszufinden, dass Mike im Dienst war. Aber er stand auf der Brooklyn Bridge. Man konnte es ihm erst später in der Nacht oder am nächsten Morgen mitteilen.
Kathrin schlich in ihr neues Zimmer zurück. Sie fühlte sich auf einmal elend und traurig. Warum hatte das auch noch passieren müssen?
»Peggy soll ein schönes Alter haben«, hatte Mike gesagt. »Sie kommt in einen schönen Stall mit grünen Wiesen drumherum. Sie soll irgendwann friedlich einschlafen.« Und: »Wenn Peggy etwas zustößt, quittiere ich den Dienst. Ich gehe weg von New York.«
Kathrin erinnerte sich an alles, was Mike gesagt hatte, und auf einmal begriff sie, dass er dies nicht nur so dahingeplappert hatte. Er meinte es ernst. Und er würde es tun.
Chick, Patrick, Greg, Lucy und Linda saßen zusammen, kauerten im Schneidersitz auf den Matratzen, die ihnen die Stühle ersetzten. Sie hatten nur eine Kerze brennen, rauchten Zigaretten und ließen eine Flasche mit billigem Rotwein kreisen.
Chick blickte sehr zufrieden drein.
»Hunderttausend Dollar! Das ist verdammt viel Geld, ist euch das klar? Und das Heroin haben wir auch wieder. Wir waren absolut erfolgreich. Wir sollten uns überhaupt aufs Kidnapping verlegen!«
»Großer Gott, mir hat dieses eine Mal gereicht«, sagte Patrick. »Außerdem sind wir noch lange nicht frei von Gefahren. Zum Beispiel haben sie die Scheine bestimmt registriert. Womöglich schnappen sie uns, sowie wir mit dem ersten bezahlen.«
»Wir dürfen natürlich nicht in New York bleiben, das ist doch klar«, sagte Greg. »Wir dürfen in den nächsten Monaten nirgendwo lange an einem Ort bleiben. Dann kriegen die vielleicht raus, dass da und dort der eine oder der andere Schein auftaucht, aber wir sind immer schon woanders. Die kriegen uns nie.«
»Findet ihr, das ist ein gutes Leben?«, fragte Lucy. Sie sah sehr blass aus. »Was haben wir von dem Geld, wenn wir Tag und Nacht auf der Flucht sind? Wenn wir in keiner Stadt länger als ein paar Tage bleiben können, wenn wir Angst haben müssen vor jedem Polizeiauto, das an uns vorüberfährt, wenn es zum Risiko wird, morgens das Haus zu verlassen, um eine Zeitung zu kaufen? Glaubt ihr wirklich, dass uns die hunderttausend Dollar so glücklich machen?«
Chick warf ihr einen scharfen Blick zu.
»Seit wann führst du solche Reden, Lucy? Früher warst du nicht so zimperlich. Okay, wir werden ein bisschen Stress haben. Aber dafür steigen wir in den feinsten Hotels ab und trinken jeden Abend Champagner. Und ich ...«
Er brach ab, aber Lucy wusste, was er hatte sagen wollen: »Und du kannst dir so viel Heroin kaufen, wie du magst, das war es doch, oder? Das heißt, du kannst noch ein bisschen schneller auf das Ende zusteuern, als du es bisher getan hast. Und du kannst dir deinen Tod etwas luxuriöser gestalten - den goldenen Schuss in einem seidenbezogenen Hotelbett setzen, anstatt auf einer öffentlichen Toilette irgendwo in New York. Ich stelle mir das alles nicht besonders toll vor.«
»Wenn du nur immer alles mies machen kannst, Lucy«, erwiderte Chick verärgert. »Vielleicht mache ich ja auch eine Therapie, ich weiß es noch nicht. Im Übrigen musst du es nur sagen, wenn du von uns genug hast. Niemand hält dich. Wenn du deine eigenen Wege gehen willst - bitte sehr!«
»Lucy ist ziemlich verändert, seit sie jeden Tag stundenlang mit unserem hübschen Oberschichtjungen da nebenan plaudert«, bemerkte Linda mit einem lauernden Unterton in der Stimme. »Nicht wahr, Lucy? Er hat dich ganz schön beeindruckt. Was hat er dir denn alles erzählt? Dass wir fiese Schweine sind, und dass ein hübsches Mädchen wie du es doch nicht nötig hat, sich mit solchen Kreaturen, wie wir es sind, abzugeben!«
»Quatsch!«
»Wie fein du aussiehst seit zwei Tagen! Immer gewaschene Haare, Röcke, Strümpfe, hübsche Pullover! Wo sind deine zerfetzten Jeans und deine grauslichen Turnschuhe! Machst du auf einmal wieder auf höhere Tochter?«
»Was macht ihr denn?«, schoss Lucy zurück. »Schwärmt auf einmal vom vielen Geld, und wie toll es ist, in schönen Hotels zu wohnen und Champagner zu trinken! Dass ich nicht lache! Ich denke, das war es genau, wovor ihr davongelaufen seid, vor diesem bekotzten Luxusleben, das euch eure Eltern vorgelebt haben, bis es euch zu den Ohren rauskam! Jetzt auf einmal erscheint es euch wieder als das Paradies. Wenn es das war, was ihr immer wolltet, dann hättet ihr euch nie mit euren
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