Mondscheingeflüster
kann einen verrückt machen dieses Warten. Es kostet alle Nerven.«
Niemand antwortete etwas. Es wurde wieder still im Zimmer, sie schauten das Telefon an. Keiner sprach. Nicht einmal Kathrins Mutter, was vollkommen ungewöhnlich war. Wenn es sich Kathrin richtig überlegte, hatte ihre Mutter überhaupt noch nie so lange hintereinander geschwiegen wie an diesem Tag.
Ted konnte es nicht fassen: Sie hatten ihn wirklich zurückgelassen. Bis zum Schluss hatte er nicht geglaubt, dass sie es tun würden. Als Greg und Chick ihm mitteilten, sie würden fortgehen, hatte er gefragt: »Und was wird aus mir?«
»Du bleibst hier. Es wird dich sehr bald jemand finden. Sowie du hörst, dass jemand in diesen Keller kommt, musst du nur rufen. Dann holen sie dich raus.«
»Was?«
»Du hast uns schon verstanden. Wir werden deinetwegen kein Risiko eingehen, klar?«
»Aber das könnt ihr nicht machen. Wenn niemand kommt? Wenn nicht rechtzeitig jemand kommt ... ich kann hier verhungern, ich ...«
»Wir lassen dir genug Vorräte da, dass du leicht eine Woche damit auskommst. Bis dahin hat dich hundertmal jemand gefunden.«
Ted brüllte los, aber Chick versetzte ihm einen Kinnhaken, der ihn aufs Bett warf und verstummen ließ.
»Du hältst dein Maul, klar? Sei froh, dass du noch am Leben bist.«
»Wo ist Lucy? Ich will mit Lucy sprechen!«
»Lucy will aber nicht mit dir sprechen. Glaub nicht, dass du auf diese Tour etwas erreichst. Du hast versucht, Lucy gegen uns aufzuhetzen, aber das ist dir nicht geglückt. Lucy kann Typen wie dich nicht ausstehen. Reiche Söhne! Sie findet dich zum Kotzen, und sie wird mit Sicherheit nichts für dich tun!«
Benommen sah Ted zu, wie Greg und Chick Vorräte in den Keller schafften; eine Kiste Mineralwasser, Obst, zwei Laibe Brot, verschiedene Sorten Käse und Wurst, zwei Thermoskannen mit heißem Kaffee.
»Die Sachen halten sich doch überhaupt nicht«, sagte Ted schwach.
»Es ist hier kalt genug. Außerdem hör endlich auf zu glauben, du würdest hier Wochen und Monate festsitzen. Zwei, drei Tage und du kannst schon wieder den Mädchen nachsteigen und mit deinem tollen Abenteuer prahlen!«
Ted schwieg einen Moment, dann bat er: »Ihr könntet doch von irgendwoher meine Eltern anrufen und ihnen sagen, dass ich hier bin. Das bedeutet keine Gefahr für euch. Bitte!«
»Mal sehen. Jetzt hör endlich auf zu quengeln. Du bist bei der ganzen Geschichte verdammt gut weggekommen, das kannst du uns glauben.«
Dann hörte er nur noch ganz schwach von draußen Schritte und Stimmen, diese Tür schloss unheimlich dicht ab. Wenn tatsächlich jemand in den Keller käme, müsste er sehr aufpassen, dass er es überhaupt mitbekäme. Er lauschte angestrengt, aber schließlich war kein Laut mehr zu vernehmen. Sie mussten fort sein. Ted hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür und schrie, so laut er konnte: »Aufmachen! Macht auf! Lasst mich raus! Hört mich denn keiner? Ich will raus! So helft mir doch!«
Er schrie eine Viertelstunde lang und hörte erst auf, als er nur noch krächzen konnte und außerdem feststellte, dass Blut über seine Hände lief. Erschöpft ließ er sich auf das Bett zurückfallen. Warum konnte er von oben nichts hören? Die ganze Zeit hatte er nichts gehört. Vielleicht stand das Haus leer, vielleicht kam niemals jemand hierher. Dann würde man ihn auch nicht finden. Eine andere schreckliche Vorstellung drängte sich plötzlich in seinen Kopf: Wenn das Haus leer stand, dann fiel es vielleicht plötzlich jemandem ein, das ganze Ding abzureißen, und zwar bevor man ihn, Ted, gefunden hatte. Die Vorstellung, unter einem Berg zusammengefallener Steine begraben zu sein, versetzte ihn für einen Moment in heftige Panik, dann aber riss er sich zusammen. Quatsch. Warum sollte das Haus abgerissen werden? Er hatte ja einen kurzen Blick darauf erhascht beim Hineingehen, es sah nicht baufällig aus, soweit er sich erinnerte. Es sah nicht einmal leer stehend aus. Womöglich war über ihm alles voller Menschen, nur war der Keller so gut isoliert, dass er nichts davon hörte. Die Vorstellung tröstete ihn etwas.
Auf seiner Armbanduhr war es fast halb sechs Uhr. Abends. Ted beschloss, etwas zu essen. Er trank ein bisschen Kaffee, vor allem, um sich aufzuwärmen, denn obwohl er zwei Decken um sich gewickelt hatte, fror er wieder. Wahrscheinlich bekam er eine Erkältung.
Sie hatten ihm ein Plastikmesser zurückgelassen, aber es stellte sich heraus, dass er damit unmöglich eine Scheibe von
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