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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
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ziemlich hässlichen Steinhunden bewacht wurde. Die waren mir bei meinem ersten Besuch überhaupt nicht aufgefallen.
    Erst nach dem dritten Mal öffnete sich die Tür einen Spalt breit und in ihrem Schatten erkannte ich das erschreckend abgemagerte Gesicht Ashleys. Sie sah fürchterlich aus.
    "Ich möchte sofort mit Xander sprechen." Ich schob sie einfach beiseite und wunderte mich selber über meinen Mut. Doch hatte er mich nicht in den ganzen Schlamassel mit reingezogen? Und nun ließ er mich mit einem Halbwissen zurück, was mich schier wahnsinnig machte.
    Entsetzt sah Ashley mich an.
    "Mein Bruder ist…"
    "Ich weiß, was dein Bruder ist", fuhr ich sie an. Im selben Moment tat es mir auch schon wieder leid. Das war nicht die Ashley, die ich aus der Schule kannte. Sie sah müde und erschöpft aus, so als hätte sie lange nicht mehr richtig geschlafen.
    "Es tut mir leid. Ist er da?", fügte ich etwas sanfter hinzu.
    "Ich bin da", ertönte da auch schon seine Stimme aus dem Wohnzimmer. Gleich darauf erschien er im hellerleuchteten Türrahmen.
    Ashleys Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    "Du wusstest nicht, dass ich weiß…?" Ich sah sie fragend an, wandte dann aber wieder meinen Blick Xander zu.
    Sein Haar war wie immer verstrubbelt, so als hätte er gerade geschlafen. Schliefen Vampire eigentlich? Hatte er vielleicht irgendwo in diesem Haus seinen Sarg stehen, in den er sich nach Sonnenaufgang zurückzog?
    Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen. Das war nun wirklich mehr als lächerlich.
    "Ashley, es ist ok. Lily ist… eine Freundin. Geh doch bitte in dein Zimmer." Er sprach so ruhig mit ihr, als wäre sie ein Kind.
    Doch statt zu widersprechen, nickte sie gehorsam. Das war wirklich nicht die Ashley, die ich kannte. Meine Augen folgten ihr, als sie langsamen Schrittes das Zimmer verließ. Sie sah aus, als würde sie schlafwandeln. Mit hängenden Schultern schlich sie die Treppe hinauf, dann waren wir allein.
    "Xander, ich", setzte ich an, doch er hob beschwichtigend die Hände.
    "Du solltest in New York sein, Lily."
    "Mit welcher Begründung? Was soll ich meinen Eltern sagen? Und überhaupt, ich will dort nicht sein, ich will", ich brach ab. Was wollte ich überhaupt? Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte in den letzten Tagen nicht einmal darüber nachgedacht. Was war nur los mit mir? Ich wollte doch gar nicht hier sein! Wieso also ergriff ich nicht längst meine Chance und verließ dieses Kaff wieder?
    Ich verstand mich selbst nicht mehr.
    Er griff nach meiner Hand, und ich spürte seine kalten Finger. Doch diesmal stieß ich ihn nicht weg.
    "Komm." Er zog mich hinter sich her ins Wohnzimmer.
    "Wo sind deine Eltern?"
    "Sie arbeiten."
    "Um diese Zeit?"
    Er zuckte die Schultern. "Sie sind nicht gern Zuhause."
    Ich nickte verständnisvoll. "Und dein Großvater?"
    Der Griff um meine Hand wurde fester.
    Ich wand mich ein wenig, doch er ließ sie nicht los.
    "Was weißt du über meinen Großvater, Lily?"
    "Nicht viel. Nur, dass es ihm nicht gutgeht." Ich biss mir auf die Lippen.
    Er ließ den Kopf hängen und sah mit einem Mal furchtbar erschöpft aus. "Du solltest nicht hier sein, Lily. Du solltest nicht in meiner Nähe sein. Ich… habe mich noch nicht vollständig unter Kontrolle. Was ist, wenn ich dir etwas antue?"
    "Du wirst mir nichts tun." Ich wusste nicht, woher ich diese Gewissheit nahm, doch aus irgendeinem Grund vertraute ich ihm. Ashley hatte er schließlich auch nichts getan. Sie lebte, auch wenn sie gerade einen mehr als erschütternden Eindruck machte. War es dennoch ein Fehler hierhergekommen zu sein?
    "Es ist nur eine Frage der Zeit", flüsterte er schließlich.
    "Warum? Das verstehe ich nicht."
    "Wenn mein Großvater stirbt, sind wir alle verloren." Er ließ meine Hand los und vergrub das Gesicht in den Händen. Kopfschüttelnd saß er da. "Das war nicht das Leben, was ich mir vorgestellt habe."
    "Wieso?"
    Wieder sah er mich an. "Wieso ich nicht so leben will?" Er sah an sich herunter und verzog angewidert das Gesicht. "Ich habe keinen Herzschlag, ich kann die Sonne nicht mehr auf meiner Haut spüren, ihre Wärme, ihr Licht! Sie verbrennt mich. Ich ernähre mich von Blut! Von menschlichem Blut, Lily! Was wäre, wenn mein Dad nicht in einem Krankenhaus arbeiten würde? Würde ich die Menschen dann jagen? Sag es mir? Ich weiß es nämlich nicht!" Aufgebracht kickte er mit dem Fuß gegen den Couchtisch. Die kleine Glasplatte zitterte aufgeregt.
    "Nein, das… das habe ich nicht gemeint.

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