Mondscheinjammer
verzogen.
"Wen haben wir denn da?"
"Lily, verschwinde!" Nellys Stimme klang schwach. Sie hielt etwas in den Händen, was ich nicht deuten konnte. War es ein Foto? Ein Buch?
Wie angewurzelt blieb ich stehen. Ich konnte mich nicht rühren. Was war das? Angst? Oder war es Benjamin? Ließ er mich nicht gehen? Panik stieg in mir auf.
"Geh, bitte", flehte sie, doch ich bewegte mich keinen Millimeter.
"Du bist die kleine Freundin von Xander, nicht wahr?" Benjamin machte einen Schritt auf mich zu.
Wie hypnotisiert starrte ich ihn an.
Als er die Hand austreckte, um mich zu berühren, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
"Hübsch, hübsch. Und nicht so alt wie du!" Verächtlich verzog er das Gesicht, als er abwechselnd von mir zu Sams Mutter hinüber sah.
"Verschwinden Sie", presste ich mühsam zwischen den Zähnen hervor. Der Typ war ein echter Energiekiller. Ihr fühlte mich schwach in seiner Gegenwart, sein hübsches Gesicht faszinierte und erschreckte mich gleichzeitig. Die absurdesten Gefühle umspülten meinen Körper. Freude, Leid, Angst, Wut.
Er lachte leise. "Du bist niedlich, Kleine."
Ich ballte die Hände zu Fäusten, unfähig mich auf irgendeine andere Art und Weise zu bewegen. "Wieso tun Sie das?", fragte ich verzweifelt.
"Weil ich seit vierzig Jahren genau auf diesen Moment gewartet habe. Weißt du, wie es ist, alles zu verlieren?" Seine Augen blitzten mich an. "Mein Zuhause, meine Mutter, die Frau, die ich liebte." Er rümpfte die Nase. "Nein? Macht nichts, du wirst es erfahren und dann wirst du mich verstehen. Ihr werdet alle genauso leiden, wie ich gelitten habe."
"Sie haben die Familie bestohlen, was erwarten Sie denn, wie man Sie behandelt?" Meine Fingernägel bohrten sich tief in meine Handflächen. Die Furcht war fast greifbar, doch ich blieb stehen, wo ich war, während ich aus dem Erdgeschoss lautes Poltern und erstickte Schreie hörte. Hin und wieder zerriss ein unnatürlich schrilles Gelächter die dumpfen Geräusche. Es war schlimmer als der schrecklichste Alptraum. Ich wollte nur eines: endlich aufwachen! Doch so sehr ich mich auf bemühte, ich blieb hier an diesem Ort, starrte in die roten Augen eines von Rache getriebenen Wesens und war nicht mehr Herrin über meinen eigenen Körper.
"Ich habe alles für diese Frau getan und zum Dank heiratet sie dieses… Schwein. Sieh mich an, Nelly, was bin ich geworden? Was hast du mir angetan? Ich bin ein Monster und deswegen verhalte ich mich auch wie ein Monster!"
Ein ersticktes Schluchzen drang aus ihrem Mund.
"Bitte, lassen Sie sie gehen", sagte ich leise.
Er hörte mir überhaupt nicht zu. Der aufgestaute Zorn der vergangenen Jahrzehnte hatte seine Gedanken fest im Griff. "Eine Frau kann kein Monster lieben", fuhr er unbeirrt fort. "Sie verachten uns, wenn sie erfahren, was wir sind. Verachtest du mich, Nelly?" Sein Blick war eiskalt.
Sams Mutter antwortete nicht. Apathisch starrte sie auf den Gegenstand in ihrer Hand.
Ich war mir inzwischen sicher, dass es ein gerahmtes Foto war.
"Wir hätten glücklich werden können, Nelly."
"Ich war glücklich - ohne dich", antwortete sie tonlos.
"Das glaube ich nicht!", donnerte er. "Wir hätten so viel mehr schaffen können. Du und ich zusammen. Stattdessen schicktest du mich fort."
Ich sah wie paralysiert von einem zum anderen. Es war zum Verrücktwerden. Ich wollte mich bewegen, ich wollte Hilfe holen, doch alles, was ich tun konnte, war zuzusehen, wie er sich über sie hermachte.
Zu meiner Überraschung allerdings richtete sich Nelly mit einem Mal nach und nach auf und straffte die Schultern. Sie sah ihn geradeheraus an. "Ich habe vor vierzig Jahren dein Leben gerettet und du hast mir meine Mutter genommen. Was denkst du, was ich noch alles ertragen kann? Mein Sohn wurde getötet, ich werde nicht zulassen, dass du noch mehr Unglück über meine Familie bringst." Es war das erste Mal, dass sie ihn direkt ansah. "Was hast du mit meiner Mutter gemacht?"
Er lachte freudlos auf. "Dieses dumme Weib. Verhext hatte es mich. Ich war an diesen Pakt gebunden, bis zum heutigen Tage. Reingelegt hatte sie mich, aber dafür hat sie bezahlt." Er grinste. "Langsam und qualvoll hat sie dafür bezahlt."
Ich sah, wie Nelly mit sich kämpfte. Tränen liefen über ihre Wangen, doch sie hielt seinen Blick.
Mir wurde schlecht, als er sich von ihr abwandte und wieder einen Schritt auf mich zu machte. "Keine Frau kann ein Wesen wie das meinige lieben, nicht wahr?" Er berührte meinen Arm und mir wurde
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