Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
unterschiedlicher nicht hätte sein können. Abgebrochene Zähne, tief zerfurchtes Gesicht, dünne Haare und bekleidet mit vermutlich ihrer gesamten Garderobe aus schmuddeligen Strickjacken und gefütterten Anoraks.
»Ich bin Cleo«, sagte sie lächelnd, bevor Dylan irgendetwas erklären konnte. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Äh, gibt es da irgendetwas, was Sie brauchen?«
Kate gab ein gackerndes Lachen von sich. »Die Gute. Welch vorzügliche Manieren! Genau wie du, Dylan. Nein, Cleo, Süße, ich hab das Meiste, was ich brauche, danke auch. Bloß meine Ruhe vor den verdammten Kids bräuchte ich. Ihr habt wohl nicht ein oder zwei Rottweiler übrig?«
Cleo warf Dylan einen hilflosen Blick zu. Warum war Kath hier? Man könnte ihr doch sicher irgendwie helfen? Es musste da doch irgendeine Art von Unterkunft zur Verfügung stehen? Sie wäre doch sicher nicht gezwungen, auf der Straße zu leben. Und wahrscheinlich auch auf der Straße zu sterben. Gab es da keine Herbergen? Pensionen? Irgendwas?
»Ich hab eine saubere Decke für dich.« Dylan kramte wieder in den Tragetaschen. »Und ein paar Fruchtsäfte – ich weiß, du magst gern Orangensaft. Und bitte geh deine Augen anschauen lassen. Versprochen? Du weißt doch, der Arzt in der Anlaufstelle versorgt dich kostenlos mit allem, was du brauchst, ja?«
»Ja, mach ich.« Kath nickte. »Danke, Dylan. Du bist ein echtes Geschenk des Himmels, bist du. Tschüss – und tschüss Cleopatra. Pass gut auf ihn auf, Schätzchen. Er ist ganz was Besonderes, das isser, trotz seinem Etepetete-Getue.«
Etepetete? Etepetete! Plötzlich fiel es Cleo wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Wie die Mutter, so der Sohn!
Cleo seufzte, als ihr alles klar wurde. Mann! Wie vernagelt von ihr! Dylan arbeitete für Mimi. Mimi war ja auch ständig in irgendwelchen Wohltätigkeitsmissionen unterwegs. Tat unermüdlich Gutes für die vom Schicksal Benachteiligten. Cleo war nie ganz klar gewesen, worin Mimis bevorzugte Spendenprojekte bestanden, aber jetzt wusste sie es.
Dylan setzte einfach die Familientradition fort. Nun, dennoch war das wirklich nobel von ihm – und natürlich erstaunlich, dass er all diese Leute so gut kannte und ihnen half, und dass sie ihn mochten – aber andererseits war auch dies wieder etwas, das ihm in den Schoß gefallen war. Wie er bei der Auslieferung der Autos für Mortimer arbeitete, arbeitete er in Sachen Wohltätigkeit für Mimi.
»Eine Station noch, dann hätten wir es für heute Abend«, sagte Dylan munter, als sie an torkelnden Betrunkenen und lärmenden, rempelnden Jugendlichen vorbei durch ein Labyrinth von Nebenstraßen eilten. »Dann können wir in Ruhe reden. Frierst du auch nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie sollte ich frieren? Ich weiß ja gar nicht, was Frieren wirklich heißt – nachdem ich all diese Leute auf der Straße habe schlafen sehen. Nacht für Nacht auf der Straße schlafen – wie grauenhaft muss das sein! Ich finde es großartig, was du tust. Mimi muss sehr – ach, wo sind wir hier?«
»Letzte Station heute Abend. Wieder außerplanmäßig, aber wahrscheinlich wird man sehr froh sein, uns zu sehen.«
Dylan tippte rasch einen Nummerncode auf der in die Wand eingelassenen Schalttafel und drückte dann schnell eine Glastür auf, die in ein hohes, schmales Gebäude führte. Zischend schloss sich die Tür hinter ihnen. Es sah aus wie in einer altmodischen Klinik, dachte Cleo. Überall glänzende gelbe Wände, gepflastert mit Notizen, Flugzetteln und Postern, grelle Deckenbeleuchtung und ein Empfangstisch. Und es war herrlich warm.
Es roch nach Kantinenessen, und im Hintergrund waren Stimmen zu hören. Nicht die rauen Stimmen von den Straßen draußen, sondern Stimmen von Menschen, die sich laut unterhielten und lachten.
Erleichtert seufzte sie auf. Normalität. Nun, beinahe jedenfalls.
»Dylan! Du Engel! Das ist aber eine nette Überraschung!« Eine mollige, mütterlich aussehende Frau erschien hinter dem Tresen und rief begeistert: »Na so was! Sag nichts – ach ich weiß – Hippies?«
»Sonny und Cher.«
»Ich verstehe.« Mit glänzenden Knopfaugen musterte die Frau Cleo. »Sehr hübsch. Wirklich sehr hübsch. War das wegen einer Wette?«
»Eine Kostümparty, Annie. Eine Kostümparty, die ich kurzfristig verlassen musste, weil – na ja, das ist eine lange Geschichte. Wie auch immer, ich dachte, ich schau mal eben rein, wo ich gerade in der Nähe bin, und frag mal, wie es so läuft.«
»Ganz gut. Wir sind natürlich
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