Mondscheinzauber - Jones, C: Mondscheinzauber - Moonshine
millionenschweres Depot in der Schweiz und ein Full-House aus Platinkarten in der Brieftasche qualifizieren konnte? Nicht um sie einzuladen natürlich, sondern nur um ihr zu zeigen, dass er wirklich in einer anderen Liga spielte.
Oder sollte sie vielleicht zu sehen bekommen, wie die Oberschicht wirklich lebte? Wollte er ihr die Villen und Herrenhäuser seiner anderen Frauen zeigen? Den natürlichen Lebensraum von Georgiana und Aphrodite? Um ihr zu demonstrieren, dass eine aus einem winzigen Wohnwagen im Irrenhaus von Lovers Knot für den Sohn von Mimi Pashley-Royle niemals die Richtige sein konnte?
Fest entschlossen keine Fragen zu stellen, starrte Cleo einfach nur geradeaus.
»Du bist so still«, sagte Dylan, als er schließlich den CD-Spieler abstellte und den Wagen durch das neonbeleuchtete Labyrinth eines namenlosen Stadtzentrums lenkte. »Alles in Ordnung?«
»Ja, danke. Ich dachte, du willst nicht reden.«
»Will ich schon, aber jetzt noch nicht. Später. Erst muss ich dir etwas zeigen. Aber wir sind sowieso gleich da.«
Cleo betrachtete die städtische Szenerie mit großer Verwunderung. Es war schon so lange her, dass sie mal richtig in der Stadt ausgegangen war, dass sie ganz vergessen hatte, wie es vor den Türen der Nachtclubs zuging und wie Horden Jugendlicher herumtorkelten, sich prügelten, sich übergaben und mit den Alkopops noch in der Hand auf der Straße bewusstlos zusammenbrachen.
Das war wirklich eine andere Welt, dachte sie, und für Dylan doch sicher genauso befremdlich wie für sie?
Blaue Blinklichter und heulende Sirenen zischten an ihnen vorbei, und vor ihnen rang eine Schar Polizisten in Sicherheitswesten vor dem hell erleuchteten Eingang eines Clubs mit einer Bande Jugendlicher. Einige Mädchen in Miniröcken ließen ihre Brüste aufblitzen, als sie vorbeifuhren. Die meisten jedoch kämpften sichtlich hasserfüllt. Es war alles so aggressiv und brutal. Wo waren Lachen und Spaß geblieben? Warum amüsierte sich niemand?
Ach Gott, sie war wohl zu alt für all so was.
Dankbar, dass sie ihre Teenagerjahre in den relativ ruhigen Gefilden von Winterbrook hinter sich gebracht hatte, war Cleo froh über die sicher verschlossenen Autotüren.
Dylan fuhr eine dunkle und schummrig beleuchtete Gasse entlang, bremste ab und hielt an.
Cleo sah die hoch aufragenden heruntergekommenen Gebäude ringsumher, die vergitterten Fenster und schmutzigen Wände, die von Überresten zerrissener Plakate und schlecht gemachten Graffiti bedeckt waren. Das sollte das Ziel ihrer Reise sein? Diese üble verdreckte Gasse mit Haufen von Abfall im Rinnstein und schwarzen Plastiksäcken, aufgerissen von plündernden Menschen oder Tieren – da war sich Cleo nicht sicher –, die ihre verrottenden Inhalte auf die Straße ergossen?
Dies musste das Revier von Straßenräubern und Drogensüchtigen und all der anderen Asozialen sein, von denen man in den Zeitungen und gesellschaftskritischen Fernsehsendungen so viel las und hörte. Cleo schauderte.
»Na komm schon.« Dylan lächelte sie an. »Schau nicht so verängstigt. Es ist alles in Ordnung. Ach, und du nimmst wohl besser das hier …«
Er langte nach hinten auf den Rücksitz. Hoffentlich, dachte Cleo, gibt er mir einen Baseballschläger oder ein Pfefferspray. Ober am besten beides.
Es war seine Lederjacke.
»Zieh die an. Ich weiß, es ist eine Schande, all deine sinnliche Pracht zu verhüllen, aber es ist ziemlich kalt da draußen.«
Cleo glitt in die weiche Wärme und seufzte. Die Jacke war ein Teil von Dylan. Sie roch nach ihm.
»Aber was ist mit dir?«
»Ich bin okay, ich bin es gewöhnt – außerdem ist diese Fellweste erstaunlich warm. Und bitte schau nicht so erschrocken. Ich lasse nicht zu, dass dir irgendwas passiert, versprochen.«
»Wir gehen da hinaus?«
»Ja … hör zu, Cleo, das hier ist mir sehr wichtig. Ich hätte es dir schon lange erzählen können und sollen, habe es aber nicht getan. Der einzige Mensch, der je davon wusste, war Olive, und da du immer gesagt hast, du wolltest nicht Olives Nachfolgerin sein … Nein, entschuldige, das ist eine lahme Ausrede. Vertrau mir einfach. Später erkläre ich dir alles. Ach, und wenn du bitte diese Tragetaschen da nehmen und mir rüberreichen könntest – danke.«
Trotz der warmen Umarmung der Lederjacke schauderte Cleo erneut, als sie aus dem Wagen kletterte. Der Wind wirkte in der engen Gasse sehr viel bösartiger, heftig und heulend griff er mit eisigen Fingern in ihr Gesicht und zerzauste
Weitere Kostenlose Bücher