Mondschwingen (German Edition)
Schüler.
Vereinzelt kämpften noch
ein paar Weiße, die allerletzten, die noch nicht gut genug waren und sich vor
dem kommenden Krieg fürchteten. Svija hatte niemals zuvor so sehr Angst gehabt.
Sie konnte sich nicht erinnern, auch wenn sie es versuchte. Dumpf grollte in
ihr die bebende Furcht.
Sie sah andere blasse Gesichter in der
flackernden Dunkelheit, Jungen, die nicht viel älter waren als sie. Erl kämpfte
auch manchmal mit ihnen und schimpfte dabei noch viel lauter.
Svija hatte gleich heute
Morgen versucht sich davonzuschleichen, über die Brücken, durch den langen
Gang, zu Unna, die Leiter hinauf, durch die Luke, hinein in den Wald und nichts
wie weg. Sie war nicht weit gekommen. An der Flügeltür, die in den Tunnel
führte, hatten sie zwei Wächter festgehalten und hatten nur gelacht.
Sie dachte an Amber, die
jetzt irgendwo weiter oben in den Kerkern saß und um ihr kurzes Leben bangte.
Was hatte Thijs vor? Wollte er Mutter und Tochter auf den Platz der Gebrochenen
Flügel zerren?
Vor Rachegedanken und
ewig unterdrücktem Zorn war er schon verrückt geworden - er hasste seine
Familie und am meisten hasste er wohl sich selbst. In all den vielen Jahren
hatte er niemals gewagt, fortzugehen, die Dunkelmondburg hinter sich zu lassen
und mit ihr auch die bittere Erinnerung. Er war niemals mutig genug gewesen.
„Du gibst auf?“ Thijs
stand neben einer Säule, dicht hinter Svija und sah von oben auf sie herab. „Du
weißt hoffentlich, dass es um dein Leben geht, da draußen.“
Svija hätte ihn jetzt so
gerne angeschrien. Natürlich wusste sie, dass sie in den Gassen der
Dunkelmondburg sterben konnte, so schlecht, wie sie nur kämpfte. Sie hob nicht
den Kopf, sie starrte weiterhin in die Dunkelheit und stellte sich heimlich
einen sterbenden Thijs in all den Schatten vor.
„Bist du zornig auf
mich?“ Man hätte meinen können, dass er sich vor Svijas Antwort fürchtete, so
leise war seine Stimme.
„Ihr sperrt meine beste
Freundin in die Kerker, Ihr wollt Gwaedja hinrichten und schickt mich in den
Krieg. Was, glaubt Ihr, sollte ich sonst sein, außer zornig?“
Thijs räusperte sich,
doch er sagte nichts.
„Von einem Mann, der
einen Bund wie diesen anführt, ist anderes zu erwarten, muss ich sagen.“ Sie
hätte gern noch so viel bösere Dinge gesagt, hätte ihn beleidigt, so gut es
ging, doch sie wollte kein verbittertes, ängstliches Mädchen sein, nicht vor
seinen Augen. „Ich werde überleben, keine Frage und was ich dann tue, werdet
Ihr nicht mehr weiter beeinflussen können. Ich bin stärker, als Ihr denkt.“
Leere Worte, nichts als leere Worte.
Svija spürte Thijs‘
Blick in ihrem Nacken, brennend und stechend klebte er ihr auf der Haut.
„Du wirst kämpfen.“ Mehr
sagte er nicht. Er wandte sich um, ging fort und begann seine Rede auf der
Treppe vor seinem Thronsaal. Er redete eine ganze Weile, wichtigtuerisches
Zeug, sprach von Kastja, natürlich, erzählte von Rache und langerwarteten
Momenten.
Svija wollte nicht
zuhören, doch Thijs‘ Worte waren nicht zu überhören, sie waren viel zu laut.
Widerwillig schaute sie sich um und sah ihn oben auf den Stufen stehen. Zu
seinen Füßen standen seine Rebellen, ein Meer aus weißen Leibern. Zwei Wächter
flankierten Thijs, ihre Masken rührten sich nicht.
„Ich gehe voraus und
werde auf dem höchsten Turm ausharren, verborgen und versteckt, der Verräter
unter den Verrätern. Und wenn es dämmern wird, hört ihr ein Kriegshorn und ihr
werdet wissen, dass die Zeit gekommen ist. Ihr werdet wissen, dass ihr kämpfen
müsst, dass das Warten ein Ende hat.“ Er schritt von den Stufen hinab, zog sich
eine eiserne Maske übers Gesicht und bahnte sich erhobenen Hauptes einen Weg
durch die Menge. Niemand sagte etwas, niemand rief ihm etwas zu, die Szenerie
hatte fast schon etwas Geisterhaftes, so still und starr standen die Weißen in
der Höhle.
Sie waren überall
verteilt, mache waren nur wenige Schritte von Svija entfernt. Ein Junge stand
links neben Svija und sah mit bleichem Gesicht Thijs beim Fortgehen zu. Die
Dunkelheit war mit weißen Punkten gespickt, vereinzelt blitzten Masken in der
Düsternis auf.
Und da erst wurde ihr
bewusst, wie hervorragend Thijs‘ früher Abgang war, wie viel sich dadurch
ermöglichte. Sie stand rasch auf und huschte gebückt durch die Reihen der
Weißen, manche sahen ihr hinterher, doch niemand hielt sie auf. Sie rannte
einfach weiter, während ihr Herz ein paar Schritte voraushüpfte. Wer sollte
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