Mondschwingen (German Edition)
Worte waren.
Toiva sprang auf, packte Uselb am Kragen und drückte ihn so fest an die Tür,
das sie beinah aus den Angeln flog.
„Wenn Ihr noch einmal
wagt, meine Fähigkeiten und meine Macht in Frage zu stellen, werdet Ihr der
Nächste sein, der von Bord geworfen wird, das kann ich Euch mit Sicherheit
sagen.“ Sie keifte nicht, sie schrie auch nicht, sie brüllte. So laut, dass sie
Uselb dabei anspuckte, aber sie war zu wütend um Belanglosigkeiten wie diese zu
merken.
„Ich weiß, was richtig
ist und was nicht und ich brauche keinen unnötigen Feldherrn, der glaubt alles
besser zu wissen. Ich kann gut allein denken und wenn Ihr anderer Meinung seid,
könnt Ihr Euch gleich neben die Laterne an die Decke hängen, lieber Herr
Uselb.“
Der Feldherr fasste sich
an den Hals und röchelte.
„Vergebt mir, Eure
Majestät.“ Er verbeugte sich gleich zwei Mal.
„Als ob ich nicht schon
genug Probleme hätte“, stänkerte Toiva und ließ sich zurück ins Bett fallen.
Sie zog sich kopfschüttelnd die roten Stiefel aus und wackelte mit den viel zu
dicken Zehen. „Der zweite Mond ist verschwunden, zwei sind noch übrig. Ich habe
schon genügend Probleme, da brauche ich nicht noch wichtigtuerische
Feldherren.“
Uselb sagte nichts, er
verbeugte sie nur noch einmal.
„Nun geht schon, verschont
mich mit Eurem kriecherischen Gesicht.“
Wortlos schlüpfte Uselb
aus dem Zimmer, sein wackelnder Haaransatz war das Letzte, was Toiva sah.
Verdammtes Volk. Brachte sie nur um den Verstand.
„Du tust mir leid“,
sagte sie seufzend. „Nein wirklich, du bist schon bedauernswert, ehrlich
gesagt. Dein Mann stirbt dir weg, du stehst allein da, wirst von deinem neuen
Volk gehasst und weißt nicht wohin. Und jetzt liegst du da mit deinen fetten
Füßen und segelst geradewegs dem Tod entgegen.“ Sie bedauerte sich zutiefst.
Ihr Selbstgespräch machte immerhin ein wenig davon wett. „Doch wenn du ehrlich
bist, weißt du genau, dass dir nichts anderes übrig geblieben ist. Spätestens
seitdem du weißt, dass tatsächlich Liv am Mondverschwinden schuld ist.
Unehrliche Thronwärmerin.“ Sie legte ihren nassen Mantel an die Wand und
bettete ihren Kopf darauf. „Und wenn du noch viel ehrlicher bist, herzliche
Toiva, dann müsstest du tief in deinem Herzen wissen, dass Uselb recht hat. Ich
meine …“ Sie biss sich kräftig auf den Zeigefinger. „Wer hat denn die Monde
verbannt, wer hat uns in der Nacht mit Kanonendonner überrascht? Die Menschen,
alle waren es Menschen. Und dann lässt ausgerechnet die Elsternkönigin ihre
Feinde fliehen, weil sie so gutmütig und herzensgut sein will. Wie dumm sie
ist!“
Sie verstand sich selbst
nicht. Und irgendwie auch doch.
„Gib es doch zu“,
brummte sie. „Du willst nur geliebt werden, egal von wem. Egal ob von deinem
Volk oder deinen Feinden. Du bist größenwahnsinnig, Narrenkönigin!“
Sie wippte mit den
geschwollenen Beinen und lächelte zufrieden. Es fühlte sich gut an,
größenwahnsinnig zu sein.
SVIJA
und das Kriegshorn
Svijas Arm war schon lange
schwer vom Kämpfen. Sie hasste Thijs und noch mehr hasste sie Krieg. Er war
nichts für sie, er war zu groß und zu laut und viel zu blutig.
Die Pfeilwunden in ihrer
Schulter und ihrem Knie begannen wieder zu schmerzen.
„Du musst das Schwert
fester heben, viel, viel fester!“ Erl funkelte sie böse an, er wedelte mit
seiner Waffe und blies die Backen auf, wie ein fetter Frosch. „So schlägt dir
der Feind das Schwert aus den Händen, der kennt kein Erbarmen, der schlitzt dir
den weißen Hals auf und lässt dich liegen.“ Bilder wie diese beschwor er schon
den ganzen Tag herauf. Blut und Krieg und Tod. Nicht mehr lange würde es
dauern, heute Nacht, nur noch ein paar hundert Atemzüge.
Svija ließ das Schwert
fallen und setzte sich auf den Boden. Sollte sich doch Erl aufschlitzen lassen!
Sie gehörte nicht hierher, sie wollte nicht kämpfen, sie wollte nur weg von
hier, mehr nicht.
„Im Krieg bekommst du
keine Ruhepause!“, fuhr Erl sie an, sein bleiches Krötengesicht schwebte
wackelnd über ihr.
„Im Krieg wird mich
sowieso niemand beachten. Die Jäger werden denken, ich gehöre zu ihnen, ein
kleines, verängstigtes Mädchen, das durch die Gassen rennt.“ Sie sagte es
nicht, weil sie daran glaubte, sie fürchtete sich nur zu sehr vor der Wahrheit.
„Ich komme später wieder
und dann kenne ich kein Erbarmen mehr!“ Erl stapfte mit seiner leeren Drohung
davon und suchte sich den nächsten
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