Mondschwingen (German Edition)
ihren
Befehl.
Einar lachte laut und
trieb Toiva die Schamesröte ins Gesicht. „Eine Königin seid Ihr?“
Nicht seine Worte
machten ihr Angst oder sein spöttisches Gesicht, sondern seine Stimme, denn sie
klang wie immer, als wäre er derselbe.
Nun bewegt euch schon,
dachte Toiva flehentlich, lasst mich nicht einfach so dastehen. Aber ihre
Krieger rührten sich nicht.
„Ein kurzer Kampf!“
Einar verzog das Gesicht, doch er veränderte sich dadurch noch immer nicht. Er
war derselbe, nur war er blasser im Gesicht.
„Erkennst du mich
nicht?“, widerholte Toiva dumpf. „Weißt du denn nicht, wer ich bin?“
„Ich weiß nur, dass du sterben musst – wie der
ganze Rest. Willkommen in der Welt der Toten, Zuckerpüppchen!“ Einar grinste
und hob das Schwert.
Toiva wich zurück, riss
die eigene Waffe aus der Scheide und wehrte noch im letzten Moment Einars
Schlag ab. Funken sprühten, tanzten in der Dämmerung. Funken ...
Einar starrte die
Königin mit großen Augen an, machte einen Schritt zurück und ließ die Waffe
fallen. Im selben Moment fegte eine bleiche Druckwelle über das Deck und riss alle
Geister von den Füßen. Einzig Einar blieb stehen, die Augen hatte er noch immer
aufgerissen.
„Toiva ...“, wisperte
er. Zögerlich hob er die Hand und fuhr mit den Fingern über ihr Gesicht. Sie
fühlte nichts. Keine Kälte, keine Wärme, nichts. Sie schloss für einen Moment
die Augen und hoffte, er würde sich verwandeln, in Fleisch und Blut. Doch als
sie wieder wagte, die Augen zu öffnen, stand er immer noch als Geist vor ihr.
„Ich bin zurück“, sagte er.
Kein Licht brannte oben
auf dem Deck, weil sie noch immer fürchteten, dass die Sternenjäger in der Nähe
warteten. Einar und die Geister konnten sich an den Weg hierher nicht mehr
erinnern, sie wussten nur, dass sie gerufen worden waren.
Die meisten
Mondschwingen lagen schon unter Deck in ihren Kojen. Sie alle waren sicher,
dass es die letzte Nacht war, bevor sie Skopenvang erreichten. Toiva wollte
ihnen nur ein paar Stunden gönnen, bevor sie zu Fuß aufbrechen würden.
Zusammen mit Einar lief
Toiva an das Heck des Schiffes, wo ihnen der kalte Nachtwind entgegenschlug.
„Verzeih mir, wenn ...“
Toiva rang nach Worten. Sie wusste selbst nicht, was sie fühlte, wusste nicht
einmal, wie sie fühlen sollte . Sollte sie froh sein? Oder ängstlich?
Oder vorsichtig? Wenn nicht sogar besorgt?
„Ich hatte gehofft, wir
würden uns nach deinem Tod anders gegenübertreten. Nicht so. Nicht hier.“
„Im Jenseits?“ Einar
blickte sie ernst an und für einen Moment erschien er ihr erschreckend
lebendig.
„Vielleicht.“ Toiva
stockte, wandte sich um und schaute aufs Meer. „Es ist so seltsam dich zu
sehen, Einar. Drei Jahre bist zu inzwischen tot. Drei
Jahre ... und nun stehst du neben mir, an der Reling eines Schiffes, als wäre
nichts gewesen. Als wäre seitdem nichts
passiert. Seit deinem Tod.“ Sie schlang die Arme um den Körper, als umarme sie
sich selbst. „Vorhin bin ich dir noch gegenübergestanden und habe mich vor dir
gefürchtet. Ich dachte, du bringst mich um. Ich glaubte, ...“
„Das wollte ich nicht,
das weißt du sicherlich.“ Einar sah sie an, mit großen, grauen Augen. „Dass wir
uns aus dem Bann lösen konnten, durch einen einzigen Schwerthieb, ist wohl so
etwas wie Wunder, denke ich.“
„Und nun?“, flüsterte
Toiva. „Da du dich aus dem Bann gelöst hast, musst du für immer hier bleiben?
In Malvö?“
Einar zuckte mit den
Schultern. „Ich weiß nicht so recht. Ich glaube, ich bleibe nicht sehr lange.
Ein Tag, vielleicht auch kürzer.“ Er streckte die Hand nach Toivas aus, hielt
aber auf halbem Weg inne. „Ich hoffe, wir können noch gemeinsam gegen die
Menschen kämpfen, bevor es zu spät ist.“
Toiva schüttelte sich, als
wolle sie einen bitteren Albtraum loswerden. Der Kampf schien so weit weg zu
sein, sie wollte erst gar nicht daran denken.
„Wie ist es im
Jenseits?“ Sie rückte näher an Einar heran, doch natürlich spürte sie nichts.
„Ich kann mich nicht
daran erinnern. Es ist als ob … als ob man aus einem langen Schlaf aufwacht und
nicht mehr genau weiß, was man geträumt hat. Man versucht nach dem Traum zu
greifen, doch er entgleitet dir und alle Bilder sind fort.“ Er runzelte die
Stirn. „Ich weiß nicht, ob ich mich aufs Jenseits freuen soll.“
„Die Vorstellung alles
zurückzulassen,
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