Mondschwingen (German Edition)
alle Sorgen, alle Gedanken, ist in diesen Tagen verlockender
denn je. Es ist eine dunkle Zeit, Einar, und du kannst froh sein, sie nicht
miterleben zu müssen.“
„Waren Malvös Zeiten
nicht schon immer dunkel?“ Einar klang müde, als läge sein Leben nur einen
einzigen Tag zurück, als spürte er die Lasten und Bürden immer noch. Er schaute
in den Himmel, die Monde klebten einsam in der Dunkelheit. „Es sieht so seltsam
aus … ohne die zwei anderen Monde.“
Toiva wollte nicht schon
wieder darüber reden. Es hatte schon lange genug gedauert, Einar klar zu
machen, wie schlimm die Lage wirklich war.
„Wir werden gemeinsam
gegen Liv kämpfen und die Magier töten.“ Die Monde spiegelten sich in Einars
weitgeöffneten Augen. „Bist du sicher, dass mit ihrem Tod die Monde
zurückkehren werden?“
„Ich hab nie davon gesprochen,
dass ich sicher bin“, sagte Toiva. „Natürlich bin ich mir nicht sicher, ich
weiß gar nichts, um genau zu sein.“
„Ist schon gut“,
wisperte er. „Ist gut.“ Er legte seine Hand auf ihre, sie verschmolzen auf dem
Schiffsgeländer.
„Du weißt, dass ich
deine Beruhigungstaktiken hasse.“ Nachdem sie eine Weile lang geschwiegen
hatte, fragte sie leise: „Müssten wir nicht gewinnen, nun, da wir euch auf
unserer Seite haben?“
„Wir werden nicht ewig
kämpfen können, das weißt du. Ein Tag, höchstens. Ich spüre das.“
Ein Tag, mehr nicht.
„Wir müssen uns beeilen.“
Einar nickte. „Ich mache
das, für dich. Ich werde zu Liv gehen und ihre Magiern töten. Wenn wir Glück
haben, kehren die Monde zurück und die Menschen geben auf.“
„Ich gehe mit dir.“ Die
Worte kamen einfach so, Toiva konnte nichts dagegen tun. Sie lachte
unwillkürlich, weil ihr die Sorgen so viel kleiner erschienen, weil ihr die
bevorstehende Schlacht so wunderbar erschien, mit Einar an ihrer Seite.
„Ich habe dich vermisst“,
sagte sie, ganz nah an seinem Ohr. So gerne hätte sie ihn nun umarmt. „Drei
Jahre warst du tot.“ Wie Einar dort an der Reling stand und zum Meer
hinausblickte, wirkte er wie ein Traumbild, eine Vision, die entstanden war aus
jahrelangem Hoffen und Warten. Toiva hätte so viel sagen können, doch sie
wollte nicht und sie wusste nicht warum.
Einar räusperte sich,
als wollte er zu reden beginnen, doch dann veränderte sich plötzlich etwas. Irgendwas
war falsch.
„Der See.“ Einar blickte
langsam aufs Wasser hinab. „Der See ist zugefroren.“
Tatsächlich – wenn man
hinunterschaute, sah man nichts als Eis, als sei alles Wasser verschwunden.
Doch es war nicht nur das, was sich verändert hatte, das spürte sie. Sie hatte
es schon zweimal zuvor spüren müssen. Es war eigenartig, dass beide
Katastrophen gleichzeitig geschehen waren, als wollte das Schicksal ihnen Angst
einjagen.
„Nur noch ein Mond
also“, sagte Toiva, ohne auch nur einmal in den Himmel emporzuschauen.
Die Mondschwingen waren
wach und schlüpften aus den Kojen. Manche bestückten sich schon mit ihren
Waffen oder legten sich die Rüstungen an, sofern sie welche besaßen. Einar
hatte zum Aufbruch gerufen und Toiva war nur dagestanden und hatte nichts
getan. Nun flitzte er wieder durch die Reihen der Männer und verängstigten
Mägde, schrie und wirbelte umher, wie ein aufgescheuchtes Wiesel. Wie früher,
schoss es Toiva durch den Kopf. Er nimmt alles in die Hand und ich stehe nur
daneben. War sie denn keine Königin mehr, nun, da er hier war? Hatte sie gar
nichts mehr zu sagen?
Sie war wütend auf
Einar, obwohl er doch erst seit kurzem wieder lebte.
„Bist du nicht selber
schuld?“, murmelte Toiva. „Schau dich doch an. Die Gefahr macht dich fast
ohnmächtig, du kannst dich nicht einmal bewegen.“
„Selbstgespräche sind
gut, sie nehmen einem manchmal die Angst.“ Raff stand direkt hinter ihr und sah
sie mit schiefgelegtem Kopf an. „Der See – er ist nicht zugefroren, nicht
wirklich. Die Eisschicht ist nicht sehr dick, wir könnten sich mit Rudern
durchbrechen.“
Toiva schüttelte den
Kopf, noch bevor Raff ausgesprochen hatte. „Das ist nicht schnell genug. Wir
haben nicht mehr viel Zeit.“
Als hätte Einar sie
gehört, kam er ein paar Fingerbreit über den Schiffsplanken auf sie zugeflogen.
„Es ist soweit.“ Er strahlte genauso wie immer, wie ein großer, stolzer König.
„ Ich sage, wenn es soweit ist.“ Kaum waren Toiva die Worte über die
Lippe gestolpert,
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