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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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immer, wir müssen uns beeilen.“
    Raff nickte
gedankenverloren. „Wie lange, glaubt Ihr, haben wir noch Zeit?“
    Toiva zog die Schultern
hoch. Ja, wie lang noch? Das fragte sie sich schon lange. Und jedes Mal
vertrieb die Furcht ihre Frage und mit ihr die Antwort. „Ich weiß nicht. Ein
Tag noch, wenn nicht sogar weniger.“
    Der Wind war schon den
ganzen Tag überaus ungünstig, sie müssten wohl oder über noch in dieser Nacht
aufbrechen und die Schiffe hinter sich lassen, ob das Meer zufror oder nicht.
Kraft hin oder her, die sie dabei verlieren würden.
    „Ihr steht schon fast
den ganzen Tag hier vorn. Wollt Ihr nicht zurück in Eure Kajüte?“
    Toiva sah Raff an und
blickte doch an ihm vorbei. „Ich will noch ein wenig bleiben. Ich habe ein
ungutes Gefühl, seit gestern schon. Und ich weiß nicht warum.“
    „Die Sternenjäger?“
    „Ich hoffe nicht.“ Die
Ahnung quälte Toiva genau genommen schon viel länger. Vielleicht hätte sie
tatsächlich befehlen sollen, jedes einzelne Schiff der Jäger zu zerstören, Ehre
hin oder her.
    Die letzten Tage waren
schrecklich gewesen. Sie hatte nicht gewusst, was sie tun sollte, unten in
ihrer Kajüte. Wann immer sie aber heraufgekommen war, hatte kaum einer ein Wort
mit ihr gewechselt, als fürchteten sie sich vor ihr.  
    Der Schrei kam ganz
plötzlich und er war so leise, dass man ihn beinahe überhörte. Die Stimme eines
Jungen, auf einem der anderen Schiffe. „Etwas kommt auf uns zu!“ Es war ein
Schiffsjunge, er hing oben zwischen den Masten, in einem Netz, seine Arme
schwangen hin und her.
    „Eine Wolke, nicht mehr
als eine Wolke“, schrie jemand anderes, die Hand über den Augen, damit ihn die
Sonne nicht blendete.
    Toiva wandte sich um und
starrte in den glutroten Himmel. Konturen waren zu sehen, blass leuchteten sie
auf. „Das ist keine Wolke“, wisperte sie. „Dafür bewegt sie sich zu schnell.“
    Alle Blicke ruhten auf
der schemenhaften Formation, niemand sagte auch nur ein Wort.
    „Es ist keine Wolke!“,
rief der Junge in den Netzen. „Geister kommen auf uns zu!“
                                                  
    Der Wind fuhr Toiva
durchs Haar, strich ihr über den Nacken und den Rücken hinab, als berührte sie
ein Finger auf der Haut. Sie war Geistern erst ein einziges Mal begegnet. Einar
hatte sie für einen Kampf benutzt und er hatte gewonnen, innerhalb von wenigen
Stunden. Wer die Geister auf seiner Seite hatte, gewann, egal wie groß die gegnerische
Mannschaft war. Wer gegen Untote kämpfen musste, starb unweigerlich irgendwann.
    „Sie hatten einen
Geisterrufer an Bord. Die Jäger.“ Raffs Worte waren spröde und zerbrachen im
Wind. „Die Nacht werden wir nicht überleben.“
    Toiva fühlte gar nichts
mehr, noch nicht einmal Angst, nur Leere, und das war das Schlimmste. Es ging
alles viel zu schnell, die Geister kamen heran und wurden größer und sie
konnten nichts anderes tun, als starren und staunen und sich allerhöchstens
noch mit dem Tod abfinden. Wann immer sich Toiva ihren Tod vorstellte, hatte sie
immer gehofft, sie müsste ihn nicht einfach nur hinnehmen. Sie wollte im Kampf
sterben und dabei wenigstens den Hauch einer Chance haben. Jetzt war es vorbei,
alles war vorbei.
    Sie hätte wohl noch
etwas sagen müssen, etwas Heldenhaftes, das ihren Männer und Mägden und
Schiffsjungen Mut gab. Aber sie brauchten keinen Mut, denn er machte keinen
Sinn. Sie hätte auch sagen können, dass einzig die Waffen der Geister
widerstandsfähig waren, ihre Körper dagegen nicht. Und wenn man lang genug ihre
Schläge abwehrte, wurden die Geister wütend und wenn sie einmal wütend waren,
konnte man sie leicht vertreiben. Doch Toiva wollte nichts sagen.
    Ein Junge kam zu ihr und
drückte ihr ein Schwert in die Hände. „Damit wir irgendetwas tun“, flüsterte er
und zog seine eigene Waffe aus dem Gürtel. Irgendetwas. Wie dumm sie waren.
    Die Geister kamen
zwischen den Masten und Segeln hervor, ihre Konturen waberten in der Dämmerung.
Sie verteilten sich in mehreren Gruppen und griffen die verschiedenen Schiffe
an. Während die Geister näher kamen und die Mondschwingen sich formierten,
Rücken an Rücken, war nichts zu hören, kein einziger Schrei. Toiva stand in der
Mitte des Schiffes, dicht an dicht mit den übrigen Kriegern ihres Schiffes.
    Die letzten
Sonnenstrahlen brachen sich in den nebligen Körpern der Geister. Wenn man zu
ihnen hinaufschaute, sah es aus, als leuchteten sie von

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