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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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ihn
oder es machte ihr nur Spaß, ihre Feinde zu verwirren, bevor sie sie tötete.
    Schreie ertönten
außerhalb der Burg, Befehle dröhnten hinter den Fensterscheiben.
    „Warum tut Ihr das hier?
Um mir Angst einzujagen? Ich habe keine Angst.“ In Wahrheit war sich Linus
nicht mehr sicher, ob er sich fürchtete oder nicht. Der Zorn war immer noch da,
doch er fühlte sich oberflächlich und unterschwellig an, zusammengeschustert
aus schalem Wissen und bitteren Vorurteilen. Er wollte aufstehen und fort von
hier; der Sessel, die Halle, die versteinerten Männer an den Wänden, sie alle
waren viel zu groß für ihn. Selbst in den Käfigen, außen an der Stadtmauer, war
es angenehmer, als hier im Thronsaal.
    „Natürlich hast du keine
Angst, Linus.“ Die Königin sprach seinen Namen vorsichtig aus.
    „Ich weiß, dass du zu
gern wieder verschwinden würdest und ich kann es dir nicht verübeln. Ich selbst
kann mich nicht einmal leiden, das ist das Üble an der Einsamkeit. Man hat nur
sich und irgendwann mag man nicht einmal mehr sich selbst. Es ist zum
Verrücktwerden.“ Sie lachte und tatsächlich klang sie verrückt dabei.  
    „Linus“, murmelte sie
nun ernster. Sie schaute langsam auf. „Ich befürchte“ -sie strich sich mit der
Zunge über ihre Lippen, als kostete sie jedes Wort- „Ich befürchte, du bist
mein Sohn.“
                                                  
      Nach einer Ewigkeit, so schien es Linus,
öffnete er den Mund. „Das ist nicht wahr.“ Es war nicht mehr als ein Keuchen,
was er hervorbrachte.
    „Schlimme Dinge wollen
wir meist nicht wahrhaben.“ Die Königin lachte traurig.
    „Meine Mutter ist tot.
Sie war eine Mondschwinge, eine ehrenhafte, bevor sie starb.“ Der Thronsaal zog
sich vor Linus‘ Augen zusammen und verschwamm. „Ihr seid nicht meine Mutter.“
    „Wenn das so ist, kannst
du dich sicher auch an sie erinnern, oder nicht?“, setzte Liv hinzu und klang
auf einmal wütend.
    „Ihr wisst nichts über
mich.“ Er spuckte Spott und Häme aus und gleichzeitig wühlte in ihm der Hass
mit scharfen Klauen.
    „Nichts, sagst du? Dein
Vater; er hieß Mortis, bevor er vor ein paar Tagen starb. Er war ein
Geschichtenerzähler und du hast für ihn Bücher gestohlen. Ihr habt auf der
Frostburg gelebt, einem großen Gemach, in einem mächtigen Turm. Deine Mutter,
sagte man, ist gestorben, als du noch ein Kind warst. Verbrannt, wurde
behauptet, von ein paar Sternenjägern. Warum, das wusste niemand.“ Liv
schnappte nach Luft, als sei sie von den wenigen Worten erschöpft.
    „Lüge ich?“, fragte sie.
„Sag mir, ob ich lüge.“
    „Sie ist tot, Ihr sagt
es doch selbst.“
    „Nun, seh‘ ich denn tot
aus?“ Sie drehte sich im Kreis und kicherte. „Bartock, sag schon, seh‘ ich tot
aus?“
    Der dickwanstige Mann
räusperte sich, sagte aber nichts.
    „Soll-ich-dir-sagen-wie-es-war?“
Sie tippte Linus bei jedem Wort auf die Brust. Noch bevor er antwortete, fuhr
sie fort. „Ich war damals nur ein paar Jahre älter als du, als ich von
Skopenvang floh. Mein Vater war König, mein Bruder war im Krieg an vorderster
Front gestorben, meine Mutter war schon lange tot. Die Zukunft lag in meinen
Händen. Ich wurde behütet, umsorgt und beobachtet, niemals durfte ich allein in
die Stadt, immer und immer verfolgten mich seine griesgrämigen Wächter. Die
Burg engte mich ein, ich hasste sie so sehr, die Einsamkeit in den großen
Zimmern, die tuschelnden Burgdamen, das Häkeln und Nähen, als gäbe es sonst
nichts zu tun.“ Sie redete schnell, sie hatte kaum Zeit zum Atmen. „Ich
versteckte mich auf einem Handelsschiff. Vaters graue Raben, wie ich sie
nannte, hatte ich mit Mühe abgehängt. Das Schiff brachte mich in eine neue
Welt, sie war so gänzlich anders.“ Liv stand jetzt an eines der Fenster und sah
auf die brennende Stadt hinab. „Ich arbeitete als Magd auf der Frostburg. Es
war nicht leicht, ich musste sehr viel arbeiten, in der Küche vor allem.
Niemand wusste, dass ich eine Prinzessin war und mir hätte sowieso niemand
geglaubt. Eines Abends schlich ich mich aufs Bernsteinfest, du kennst es sicher
auch. Dort lernte ich Mortis kennen, deinen Vater und meinen Mann.“
    Lüge , fauchte eine
Stimme in Linus, doch er blieb still.
    „Er liebte die Bücher,
genauso wie ich. Auf Skopenvang war ich meistens in der Bibliothek gesessen und
hatte immer gelesen, immer nur gelesen. Ich stahl sie oft und nahm sie mit zu
mir ins Zimmer, wo ich

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