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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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den Büchern um und breitete die Arme aus.
    „Fumo, du wirst sicherlich
wissen, was heute ansteht?“
    „Bücher stehlen“,
brummte Fumo.
    „Ich kann immer wieder
nur sagen, dass Bücher stehlen wichtig ist, Fumo, denn Bücher bergen
Informationen und …“
    „… die Informationen
unserer Feinde sind Geheimnisse und ein Geheimnis ist der Schlüssel zum Sieg.“
    „Du sagt es, Fumo, du
sagt es.“
    Thabäus räusperte sich.
„Bücher stehlen ist nicht so einfach, wie man gemeinhin denkt, Linus. Eine
schwierige Aufgabe.“
    „Eine langweilige“,
murrte Fumo zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Thabäus schlug seinem
Lehrling auf den Hinterkopf. „Eine wichtige, denn sie der Schlüssel zum Sieg.“
    Linus hörte ihm kaum zu.
Es war, als hörte er säuselnde Wörter in den dunklen Regalreihen, wispernde
Buchstaben hinter geschlossenen Deckeln. Er fuhr mit dem Finger über die
staubigen Rücken, goldene Aufschriften begannen wieder zu glänzen. Er zog ein
Buch hervor, fuhr über die Ränder, schlug es ganz vorsichtig auf, es roch nach
altem Papier. Staub stieg auf. Der Augenblick war so intensiv, die Erinnerung
so gegenwärtig, dass sich Linus am liebsten verloren hätte, in diesem einen
Moment.
    „Faszinierend, nicht
wahr?“ Thabäus nahm Linus das Buch aus der Hand und stellte es zurück. „Und nun
lasst uns beginnen!“
                                                  

 
    Thabäus klatschte in die
Hände. Ganz langsam stieg Linus auf, in der einen Hand hielt er ein Schwert, in
der anderen eine Fackel. Keine einzige Laterne brannte noch im Treppenhaus, die
Dunkelheit war stickig, legte sich wie ein dicker Mantel über seine Schultern.
    „Ein Buch mir rotem
Einband“, rief Thabäus noch einmal, seine Augen funkelten im Licht.
    Linus‘ Herz klopfte.
Alles wie früher, haargenau wie damals … nur war da nicht mehr die Angst
entdeckt zu werden, nicht mehr das Lauschen nach fremden Geräuschen, nach
verräterischen Schritten. Es war, als wäre er zurückgereist, in alte Zeiten,
durch ein Fenster gestiegen. Der Moment war so schön, so einzigartig, als
müsste er ihn behutsam behandeln. Andererseits hätte er am liebsten geweint,
denn er wusste nun, wie unerreichbar die Vergangenheit war, und mit ihr Mortis
und die Frostburg, die Sündenherzen und sogar die Rachekreuze. Alles davon war
weg, verstaut in einem eingestaubten Leben.
    Er schwebte weiter an
den Regalreihen hinauf, sein Blick war geübt von der ewigen Suche nach
schillernden Märcheneinbänden. Ein rotes Buch sollte er finden, mit blauer
Schrift.
    Es waren tausend Bücher,
dicht an dicht, die Farben waren ausgeblichen, fast grau von all den Jahren.
Nur Zweiunddreißig rote Bücher hatte Linus gefunden. Dick sollte es sein, hatte
Thabäus gesagt und es handelte von Magiern. Er flog nach links und rechts, nach
oben und unten, sah sich ein Buch nach dem anderen an und schüttelte nach jedem
Mal den Kopf. Erst das Einundzwanzigste war es, „Der Große Krieg der Magier“
hieß es, Linus klemmte vorsichtig den Schwertgriff unter den Arm, zog das Buch
heraus und pustete den Staub davon.
    „So schnell hat es noch
niemand gefunden“, hörte er Thabäus‘ tiefe Stimme. „Das ist ganz unglaublich!
Mit solch einer Sicherheit, einer Klarheit, einer Präzision!“
    Linus klappte das Buch
auf. Wie ein toter Vogel lag es in seinen Händen, es roch nach altem Papier,
nach toten Wörtern. Behutsam begann er zu lesen, irgendwo mittendrin, wie er es
früher immer getan hatte. Und als er so zwischen den Regalen schwebte, mit dem
Buch in der Hand und einfach nur las, da kehrte er auf einmal in sein altes
Leben zurück. Er sah die Frostburg, das Gemach mit dem großen Bett und dem
plumpen Kamin, er sah Mortis, der sich über seinen Schreibtisch beugte, er sah
den Frostfürsten im Speisesaal, sah den dunklen Trudanwald, eine Gestalt in der
Nacht, Kastjas blasses Gesicht ... alles, was sein altes Leben zerstört hatte,
kam in verzehrten Bildern zurück. Die Sternenjäger auf dem Bernsteinfest, die
Jagd am Ufer, Mortis, wie er am Baum lag und starb.
    Linus ließ alles fallen,
das Schwert unter seinem Arm, die Laterne an seinem Unterarm, das Buch in
seinen Händen, er hing da in der Luft und bewegte sich nicht mehr. Er war
irgendwo zwischen zwei Leben, zwischen zwei Fenstern und wusste nicht wohin.
    „Was machst du da?“,
schrie Thabäus „Komm runter, damit ich dir die Blödheit aus dem Kopf pusten
kann!“
    Linus

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