Mondschwingen (German Edition)
sagte sie wieder. Sie war wütend,
auf die Aufsässigen vorm Haus, die sie gar nicht hier haben wollte, auf Amber
und ihren dreimalverfluchten Vater. Aber vor allem quälte sie ein fremdes
Gefühl, so etwas wie Erinnerung - an die andere Welt und vor allem auch an
Linus. Sie hatte ihn im Stich gelassen, obwohl sie ihn mochte.
„Gute Nacht“, sagte sie
leise und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen kamen
die letzten Aufsässigen in den Wald. Sie schlugen ihre Zelte auf, die nun bis
hinters Haus reichten und den Boden unter einem Meer aus gefärbten Fellen und
kunterbunten Decken begruben.
Svija lag im Gras, hatte
die Füße ins Wasser gelegt und den Kopf auf weiches Gras gebettet. Die
immergrünen Baumkronen über ihr wogten im Wind, Maja und Rasputin plantschten
im Bach und bekämpften sich mit langen Ästen. Crava hängte Wäsche auf und
schimpfte dabei laut, denn zumindest eines der acht Kinder hätte ihr die Arbeit
abnehmen können.
Svija wollte alleine
sein, irgendwie. Wulf und Fuks, die langhaarigen Zwillinge und ältesten
Waisenkinder im Sommerwald, mussten das Unkraut hinter dem Haus jäten und Maja
und Rasputin und Grit waren ohnehin viel zu klein, um ans Arbeiten zu denken.
Jemand klopfte Svija auf
die Schulter und räusperte sich. „Es beginnt jeden Moment“, meinte Amber, sie
schaute ganz aufgeregt aus. „Die erste Besprechung!“
„Dir liegt doch gar
nichts an Frieden, hab ich gedacht.“ Svija hatte es so leise gesagt, dass sie
nicht sicher war, ob Amber sie gehört hatte.
„Na komm schon, zumindest die allerallererste
Besprechung!“ Amber zog sie am Arm herauf, noch bevor sie überhaupt antwortete.
„Danke“, sagte das weißhaarige Mädchen freudestrahlend. „Danke vielmals.“
Sie kletterten die
Böschung hinauf und zwängten sich durch die Zeltreihen. In der Mitte der
Lichtung hatten die Aufsässigen Platz geschaffen, das Aufsässigenoberhaupt
stand dort und schaute Amber entgegen.
„Sie wartet auf mich!“,
bemerkte sie und lief ein bisschen schneller.
Gwaedja trug ein langes
Kleid und es war so blütenweiß, dass die Haare mit dem Stoff ihres Kleides
verschmolzen. Leise suchten sich die zwei Mädchen einen Platz in der Menge.
„Viele von euch sind
schon seit vorgestern hier. Einige sind viele Tage gelaufen, um hier zu sein
und für den Frieden etwas zu tun. Unsere letzte Besprechung liegt über zwei
Jahre zurück, erreicht haben wir leider nur wenig. Doch dazu kommen wir
später.“ Ihr Blick wanderte über die unzähligen Gesichter, die nur ihr
zugewandt waren.
„Es sind ein paar Adlige
da“, flüsterte Amber Svija zu. „Aber keiner von denen will genannt werden.“
„Wir müssen über einiges
reden, wir müssen vieles verbessern.“ Gwaedja schaute hinauf, zum dunkelblauen
Himmel. „Lasst uns also beginnen“, sagte sie „ehe es zu spät ist.“
LINUS
und die zwei Fenster im Treppenhaus
Fumo beugte sich über
den Tisch. „Die Gerüchte von gestern stimmen“, flüsterte er Linus zu. „Toiva
wird morgen Abend mit allen Kriegern nach Skopenvang segeln und Krieg führen.“
Dass er ihm das sagte war eigentlich sehr überflüssig, denn an allen fünf
Tischen im Speisesaal der Burg sprach man schon davon. „Überall gehen Boten
umher und rufen, dass jeder sich der Armee anschließen kann. Männer und Frauen,
wenn sie wollen.“
Linus ließ den Löffel in
den Haferbrei fallen.
„Haben die Boten gesagt,
dass wir sterben werden?“
Fumo schüttelte den
Kopf. „Natürlich nicht. Aber das werden wir, ganz sicher. Wir werden verdursten
oder verhungern, jedenfalls werden wir sterben.“ Der Junge machte eine Grimasse
und streckte die Zunge heraus.
„Wie kann die
Menschenkönigin Monde verbannen? Und wie wollen wir gegen sie gewinnen? Wir
haben kaum Krieger, hab ich gedacht, und auch nicht besonders viel Erfahrung,
weil wir uns immer nur verstecken.“
Fumo grunzte zustimmend.
„Wir werden verlieren, das ist ganz sicher.“ Er schaute Linus über seinen
Tellerrand hinweg an und runzelte die Stirn. „Du willst doch nicht mitkämpfen,
oder?“
Er hätte fast schon den
Kopf geschüttelt, dann aber erinnerte er sich an Skopenvang, sein Ziel, an
Mortis‘ Worte. „Ich weiß nicht“, flüsterte er. „Vielleicht.“
„Du bist verrückt.“ Fumo
spuckte auf den Tisch, damit seine Verachtung besser zur Geltung kam.
Sie saßen im Speisesaal
der
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