Mondschwingen (German Edition)
sie sprang auf und schüttelte ihre Arme.
„Die Zukunft sieht wahrlich friedlich aus.“
Svija sagte nichts.
Sollte Amber denken, was sie wollte, sie konnte an den Frieden nicht glauben,
sie konnte an kaum etwas Gutes glauben, in diesen Tagen.
Die ersten Lagerfeuer
knisterten zwischen den Zeltreihen, Glühwürmchen flirrten in den Baumkronen.
Kessel wurden herbeigetragen, Crava hatte sich bereiterklärt für die
Aufsässigen zu kochen.
Man hatte heute lange
geredet, ewig diskutiert, über die Zukunft, über die Vergangenheit, was man
alles nicht erreicht hatte. Gwaedja hatte von einer vorsichtigen
Zusammenführung gesprochen zwischen den zwei Königinnen, zwischen Toiva und
Liv. Die Aufsässigen müssten sich nur genug ausbreiten und nach Frieden bitten,
immer und immer wieder. „Wir werden durch Malvö ziehen und die Menschen und
Mondschwingen zur Vernunft bringen! Wir werden ihnen vom Frieden erzählen, wie
er sich anhört, wie er schmeckt .“
Solche Dinge hatten die
Aufsässigen die meiste Zeit erzählt, manchmal wäre Svija am liebsten gegangen.
„Ich weiß nicht, was ich
davon halten soll.“ Svija nahm einen Teller voller heißer Suppe und schlürfte
vorsichtig daran. „All das … Gerede. Sie sollen lieber etwas tun und sich nicht
ganze Zeit den Mund fusselig reden. Bisher sind sie doch nur einig geworden,
dass alle Aufsässigen verteilt durchs ganze Land Menschen und Mondschwingen
bekehren sollen. Ob sie wollen oder nicht.“ Zahllose Aufsässige hatten Gwaedja
gelobt, die tolle, wunderbare, einzigartige Gwaedja. Svija konnte es schon lang
nicht mehr hören.
Amber sah Svija schief
von der Seite an. „Besser man redet, als dass man kämpft.“
Svija verdrehte die
Augen. Nun redete sie schon genauso daher. „Das sagst gerade du, du, die immer
klaut, wenn sie nur kann.“
Amber schnaubte. „Das
gehört jetzt nicht hierher“, sagte sie, obwohl es sehr wohl hierhin
gehörte.
Gwaedja kam heran und
fasste Amber an den Händen. Sie standen so nah beieinander, dass ihre Haare zu
seidigem Weiß verschmolzen. „Ich bin so froh, dass wir uns endlich wieder
versammeln. Und dass du hier bist, Amber, vor allem darüber bin ich froh.“
Sie umarmten sich noch
immer, als Gwaedja leise flüsterte: „Ich habe vor, hier bei dir zu bleiben. Im
Sommerwald. Für immer, wer weiß. Ich will dich nicht schon wieder verlieren,
das hab ich schon zu oft. Und ich hab schon Thijs verloren, deinen Bruder. Er
ist unerreichbar, zu nah ist sein Vater … Ich halte es nicht mehr aus, allein
zu sein, weißt du? Ich kann das nicht mehr.“
Ambers weiße Haare
bebten, als Gwaedja so zu ihr sprach, sie bewegten sich wie feine Leuchtfäden.
„Das ist eine gute Idee“,
sagte sie leise.
„Und wenn das irgendwie
nicht geht, wenn Crava oder wer auch immer etwas dagegen hat, dass ich hier mit
dir lebe, dann suchen wir uns einfach einen anderen Ort, an dem es uns
gefällt.“
Svija hätte am liebsten
gar nicht zugehört.
Mutter und Tochter
lösten sich voneinander, Amber nickte. „Ja, ja, das hört sich sehr gut an.“
Svija drehte ihnen den
Rücken zu und ging hinters Haus, wo Rasputin an einem Holzstück schnitzte.
„Was wird das?“ Sie
zeigte auf den unförmigen Klotz und setzte sich neben ihn.
Rasputin schaute auf.
„Ein Käfer, ein Maikäfer, das sieht man doch!“
Svija biss sich auf die
Lippe und legte den Kopf schief auf die Schultern. „Ja, stimmt, das sieht man.
Warum gehst du nicht ins Bett? Es ist schon spät.“
„Ich kann eh nicht
schlafen Ihr seid viel zu laut, euch hört man im ganzen Haus, das ist nicht
sehr passabel.“
Svija lachte und umarmte
den Jungen, sie umarmte ihn einfach, sie wusste nicht einmal warum. „Ich hab
dich lieb, Rasputin.“
„Warum tust du das? Du
bist doch sonst nicht so.“ Rasputin befreite sich aus der Umarmung und
schnitzte unkonzentriert weiter.
„Das tut mir leid, dass
ich so bin. Ich will eigentlich nett sein, zu allen und gut gelaunt, aber es
fällt mir meistens schwer, glaube ich.“
„Das braucht dir nicht
leid zu tun. Du bist halt kein netter Mensch.“ Rasputin klemmte die Zunge
zwischen die Lippen und ritzte ein Loch auf den Maikäferrücken. „Bleibst du
jetzt erst einmal wieder hier, Svija?“
Svija schaute ihm eine
Weile lang zu, bevor sie antwortete. „Ja.“ Sie sagte nur das eine Wort. Sie
wollte für immer hier bleiben, in ihrer Welt. Draußen hatte sie gesehen, wie
brutal das Leben sein konnte, wie kalt. Sie wollte nie mehr zurück, sie
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