MondSilberLicht
wirklich?“ Es folgte eine ganze Reihe weiterer Titel zu dem Thema. Neugierig blätterte ich noch weiter, da gab es Bücher zu Sirenen, Spriggans, Sylphen. Komische Namen. Was die Menschen sich ausdachten. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf. Gerade ich musste es doch besser wissen.
Ich blätterte zurück und notierte mir die Signatur der Werke, die mir am interessantesten erschienen. Dann ging ich zu den Regalen und versuchte mich zu orientieren. Schnell hatte ich das erste Werk gefunden. Langsam blätterte ich mich durch das Buch. Der Autor hatte viel Zeit damit verbracht, jede noch so abstruse Geschichte über die Shellycoats aufzuschreiben, die unter der Bevölkerung kursierte. Am lächerlichsten waren die Bilder, die er von den Shellycoats gezeichnet hatte. Ich blätterte zurück auf die erste Seite. Das Buch war im Jahre 1853 verlegt worden. Ich schob es zurück ins Regal und suchte mir den nächsten Titel heraus. Der schien interessanter zu sein. Die Frau, von der das Buch berichtete, behauptete, tatsächlich einen Shellycoat gesehen zu haben. Ihrer Beschreibung nach war es ein wunderschöner junger Mann mit langem, silbernem Haar gewesen. Er hatte versucht, sie in einer Vollmondnacht ins Wasser zu locken. Nur der Umstand, dass ihr Bruder plötzlich aufgetaucht war, hatte sie gerettet. Leider hatte der nur ein silbriges Licht am See gesehen und konnte ihren Bericht nicht bezeugen. Nach dieser Nacht war sie oft zum See gegangen, aber der Shellycoat zeigte sich nie wieder. Da niemand ihr glaubte, verfiel sie dem Wahnsinn.
Das Werk stammte aus dem Jahre 1920 und war vom behandelnden Arzt der unglücklichen Frau nach ihrem Tod veröffentlicht worden. Eigentlich war es ein medizinisches Sachbuch über Wahnvorstellungen, aber der Arzt hatte jedes Detail der Beobachtungen der Frau notiert. Wie Dr. Erickson die Abhandlung gefunden hatte, war mir schleierhaft. Er musste Jahrzehnte gebraucht haben, um das alles zusammenzutragen. Leider nützte mir dieser Bericht wenig. Seufzend schob ich das Bändchen ins Regal zurück. Wenn ich nur wüsste, wo ich suchen sollte. Um jedes Buch durchzugehen, fehlte mir die Zeit. Eine genaue Recherche würde Tage dauern.
Langsam schritt ich das Regal ab, das für die Shellycoats reserviert war. Immer wieder zog ich ein Buch heraus, dessen Titel mir vielversprechend klang. Doch nach kurzem Blättern schob ich jedes entnervt zurück an seinen Platz.
Am Ende angekommen, überlegte ich, ob ich von vorn beginnen sollte. So viele Bücher hatte ich nicht kontrolliert. Brachte das überhaupt etwas? Die Überlieferungen glichen sich alle. Die Shellycoats waren bösartige Wassergeister, die es auf das Leben von jungen Frauen abgesehen hatten.
Ein Buch erregte meine Aufmerksamkeit. Es stand im Regal mir gegenüber. Der Einband war mal blau gewesen, im Laufe der Zeit aber stark abgegriffen und vergraut. Es glitzerte ungewöhnlich. Das Leinen des Einbands war behandelt worden.
„Gwragedd Annwn“ lautete der zungenbrecherische Titel. Ich schlug die erste Seite auf.
„Die Gwragedd Annwn waren Wassergeister und lebten ausschließlich in den walisischen Seen.“
Ich las weiter. „Es ist den Frauen der Gwragedd Annwn erlaubt, sterbliche Männer zu Ehemännern zu nehmen.“ Klang nett. Aus dem Text ging hervor, dass es Menschen gab, die die Paläste dieses Volkes gesehen hatten. Sie mussten dort unten gewesen und zurückgekehrt sein, um davon zu berichten.
Laut der Legende war es früher erlaubt, das Reich der Gwragedd Annwn durch eine Tür in einem Felsen zu betreten. Nur wenige hatten den Mut dazu. Sie kamen in einen wundervollen Garten und konnten bleiben, solange sie wollten. Der Garten war voll von saftigen Früchten, Blumen, der schönsten Musik und vielen anderen Wundern. Es gab eine einzige Bedingung, sie durften nichts mit zurücknehmen in die Menschenwelt.
„Eines Tages nahm ein junger Mann eine Blume aus dem Garten mit zu den Menschen. In dem Moment, in dem er das Reich verließ, löste sich die Blume in nichts auf und er fiel ohnmächtig zu Boden. Seit diesem Tag blieben die Tore zum Reich der Gwragedd Annwn verschlossen.“
Angeblich waren die Gwragedd Annwn ein sehr altes Elbengeschlecht. Die Männer des Volkes waren sehr stattlich und trugen einen langen, weißen Bart. Ich kicherte und stellte mir Calum mit Bart vor. Nachts kam das Volk an Land, um zu tanzen. Die meisten Begegnungen mit ihnen wurden aus Wales überliefert, aber auch in England, Skandinavien und Frankreich soll es
Weitere Kostenlose Bücher