MondSilberLicht
Herrschaft wiederherzustellen. Die anderen fünf verdrehten die Augen, als ich mich hilfesuchend zu ihnen umsah.
„Emma, du musst wissen, dass die letzte Schlacht hier bei Culloden stattfand.“ Geduldig liefen wir alle mit ihm über das damalige Schlachtfeld. Er erläuterte uns den Kampf in allen Einzelheiten und versuchte, uns mit seiner Begeisterung anzustecken.
„Nachdem Charles Edward Stuart, genannt Bonnie Prince Charlie, die Schlacht verloren hatte, gelangte er auf der Flucht nur mit Hilfe der Insulanerin Flora MacDonald im Ruderboot nach Skye, von wo er nach Frankreich fliehen konnte. Er starb später verbittert in Rom. Flora hatte ihn als ihre Kammerzofe verkleidet. Das muss man sich mal vorstellen, sah bestimmt lustig aus.“
„Es gibt heute immer noch ein Lied darüber, das ziemlich populär ist“, unterbrach Bree seinen Redestrom. „Es heißt Skye Boat Song.“
Ethan stimmte unvermittelt das Lied an und sang los:
„Speed, bonnie boat, like a bird on the wing,
Onward! the sailors cry;
Carry the lad that's born to be King
Over the sea to Skye.” Amelie starrte ihn an und stieß ihn dann in die Seite.
„Dad, reiß dich zusammen. Wenn dich jemand hört.“
Bree und ich mussten uns das Lachen verkneifen und Ethan sah sie empört und verständnislos an. Mittlerweile hatte es angefangen zu nieseln und wir wurden langsam, aber sicher nass und nasser. Alle atmeten auf, als Ethan sich entschloss, seine Tour abzubrechen. Schnell flüchteten wir ins Besucherzentrum. Amelie und Hannah bettelten so lange, bis Ethan im Restaurant für uns alle Tee, Kuchen und Eis spendierte. Danach ging es weiter nach Edinburgh. Ich konnte es kaum abwarten. In der Schottischen Nationalbibliothek hoffte ich Antworten auf meine Fragen zu finden.
Ethan hatte für uns Zimmer in einer kleinen Pension gemietet. Auf sein Läuten öffnete eine alte, zarte, weißhaarige Frau. „Es ist schön, eine so große Familie zu Gast zu haben“, flötete sie, während sie uns auf einer steilen Treppe voranging. „Normalerweise sind im August alle Zimmer belegt, aber als Dr. Erickson anrief und fragte, ob ich etwas frei hätte, bemühte ich mich natürlich, es möglich zu machen.“
Ich horchte auf, Dr. Erickson war mit Ms. Wallace bekannt?
„Ihr müsst mir erzählen, wie es ihm und Sophie geht. Er hat früher hier gewohnt, wenn er Vorlesungen in Edinburgh hielt. Aber das wisst ihr ja sicher.“
Ms. Wallace öffnete die Tür zu unserem Zimmer und ging mit Ethan und Bree zum nächsten Raum.
Amelie warf sich auf eins der Betten, das mit einem handgenähten bunten Quilt bedeckt war.
„Ist es nicht himmlisch?“, rief sie aus.
Sie drehte sich zu mir und sah mich an. „Die ganze Stadt ist voller Menschen. Zum Edinburgh Festival kommen jedes Jahr zwei Millionen Besucher. Kannst du dir so viele Menschen vorstellen?“
Zwei Millionen, das war wirklich eine stattliche Menge, dachte ich. Washington hatte ungefähr sechshunderttausend Einwohner. Für Amelie, die ihr Leben hauptsächlich auf Skye verbracht hatte, musste das eine unvorstellbare Masse sein.
„Was wollen wir heute Abend unternehmen?“ Ich setzte mich zu ihr aufs Bett.
„Bevor Dad uns in die Wildnis zurückschleppt, sollten wir jeden Augenblick in der Zivilisation ausnutzen“, bestimmte Amelie und angelte nach ihrer Tasche. „Lass uns gehen. Wir sagen Mom Bescheid, dass wir uns umsehen wollen.“
Wie erwartet erhob Ethan Einwände dagegen.
„Die Mädels sind alt genug, um allein loszuziehen“, meinte Bree, die mit Ethan bei einer dampfenden Tasse Tee und einem Buch im Wohnzimmer saß, welches alle Gäste nutzen konnten.
Man sah ihr an, dass sie heute keine Lust mehr hatte, durch eine von Touristen überfüllte Stadt zu laufen.
„Also gut“, brummte Ethan. „Aber seid spätestens gegen elf zurück, und keine Dummheiten, meine Damen.“
„Wir doch nicht, Dad“, Amelie gab Ethan einen Kuss auf die Wange und winkte Bree und Peter zum Abschied zu.
Dann standen wir auf der Straße. Es war noch hell, aber die Abenddämmerung begann sich schon in der Stadt auszubreiten.
Amelie war in ihrem Element. „Lass uns zur Burg gehen, in der Altstadt ist bestimmt am meisten los.“
Wir liefen an mehreren jungen Männern vorbei, die sich in alter schottischer Manier die eine Hälfte des Gesichts blau angemalt hatten und mit nackter Brust und Schottenrock ihre Dudelsackkünste zum Besten gaben. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte, die Straßen waren voll mit Künstlern, die ihr
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