MondSilberLicht
verteilte die Tassen und goss den Tee ein. Wenigstens ihre Anspannung ließ nach, als ob diese gewohnten Tätigkeiten ihr halfen, die Fassung zu bewahren.
Dr. Erickson machte schließlich den Anfang.
„Ethan, weshalb seid ihr hier? Ich nahm an, die Vereinbarung war klar. Emma fliegt zurück in die Staaten und sie und Calum sehen sich nicht noch einmal.“
Empört sah ich ihn an.
„Ich weiß, dass wir das besprochen haben“, erwiderte Ethan mit fester Stimme, „aber ich denke, meine Familie hat ein Recht auf die Wahrheit. Sie wissen, wie es damals war. Wir sind fast daran zerbrochen. Ich möchte das nicht noch mal durchmachen. Ich vertraue Bree und Peter. Sie werden das Geheimnis für sich behalten.“
„Es ist Ihre Entscheidung.“ Dr. Erickson sah ihn durchdringend an. „Das Wissen verlangt eine hohe Opferbereitschaft, das ist Ihnen hoffentlich klar.“
Ethan nickte. Und dann begann Dr. Erickson zu erzählen. Die Gesichter von Bree und Peter wurden immer länger. Es klang alles zu fantastisch. Vieles von dem, was er erzählte, wusste ich schon, einiges war mir neu.
„Die Shellycoats leben in einem Clansystem. Jeder Clan hat seinen Anführer und alle Clans zusammen wählen einen König, dieser kann auch einen Nachfolger vorschlagen. Aber der Ältestenrat des Volkes bestimmt schließlich, wer tatsächlich König wird. Der König bleibt bis zu einem bestimmten Alter im Amt. Der Ältestenrat wacht auch über die Einhaltung der Gesetze und er legt im Kindesalter der Shellycoats fest, wer später mit wem vermählt wird. Uns erscheint das rückständig, weil unsere Kultur sich anders entwickelt hat. Die Shellycoats haben ihre Regeln jedoch vor Jahrhunderten festgelegt und sie nie geändert. Jeder ordnet sich dem Willen der Gemeinschaft unter, nur so kann das Überleben des Volkes gewährleistet werden. Die Jungen bleiben nach der Geburt sechs Jahre bei den Müttern, dann werden sie einem Vormund übergeben, der sie aufzieht und für die Kinder verantwortlich ist. Die Mädchen bleiben bei den Müttern.“
Er schwieg kurz.
Mir fiel ein, was mir letzte Nacht am See eingefallen war. Ich konnte nicht an mich halten und platzte heraus: „Dr. Erickson, mein Vater, wer war er?“
Erschrocken blickte Dr. Erickson mich an. Calum ließ mich los. Ich sah ihn an, konnte den Ausdruck in seinen Augen jedoch nicht deuten.
„Dein Vater…, er ist ein Shellycoat, Emma“, sagte Dr. Erickson ganz langsam. „Er lebte damals bei uns, wie jetzt Calum, und er verliebte sich in deine Mutter. Er hat ihr sein Geheimnis nicht verraten. Sie ist ihm eines Nachts gefolgt und hat den Tanz der Shellycoats beobachtet. Sie wurde entdeckt und war das Ende für die Liebe der Beiden. Dein Vater kehrte in dieser Nacht nicht zurück. Ich habe ihr dann gesagt, was er war. Ich konnte ihr Leid nicht mehr ertragen. Ich dachte, es würde ihr helfen. Ich musste sie warnen, nie wieder durfte sie ein Gewässer betreten.“
„Wer ist es?“, fragte Calum tonlos. Dabei wusste er es schon. Es kam nur einer in Frage.
Ernst sah Dr. Erickson ihn an. „Es tut mir leid, Calum. Es ist Ares.“
Stöhnend vergrub Calum sein Gesicht in seinen Händen.
„Was hat das zu bedeuten? Gehöre ich dann nicht auch zu seinem Volk?“
Verzweifelt schüttelte Calum den Kopf.
„Emma“, sagte er, „das macht es noch komplizierter.“ Er blickte mich nicht an. „Ich habe es die ganze Zeit geahnt, die Art, wie du schwimmst, die Farbe deiner Augen. Du hast mich immer an jemanden erinnert, ich kam nicht darauf … es war so unwahrscheinlich. Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben.“
„Emma, Ares ist der König und Calums Ziehvater“, ergriff Dr. Erickson das Wort. „In seiner Welt bedeutet diese Bindung fast mehr als die zu einem leiblichen Vater. Da Ares dein Blutsverwandter ist, ist es unmöglich für euch zusammenzubleiben. Davon abgesehen werden Halblinge nicht akzeptiert. Das Blut muss rein bleiben. Ich weiß, das wirkt auf uns mittelalterlich. Aber kein Shellycoat darf von deiner Existenz erfahren, es ist zu gefährlich. Ich weiß nicht, was dann passiert. Nicht einmal Ares weiß, dass es dich gibt.“
Er sah Ethan entschuldigend an. „Es tut mir leid, Ethan, ich hätte das alles früher erzählen müssen. Ich hätte verhindern müssen, dass Emma überhaupt herkommt.“
Zornig sah ich ihn an.
„Glauben Sie nicht, ich hätte ein Recht gehabt, es zu wissen?“
„Wir dachten, dass es so besser und sicherer für dich sei. In erster Linie war es die Entscheidung deiner
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