MondSilberLicht
Mutter. Ich musste das akzeptieren. Ich mache mir große Vorwürfe, dass ich den Kontakt zwischen dir und Calum nicht von Anfang an unterbunden habe. Aber … ich hätte nicht gedacht, dass so etwas noch mal passieren könnte.“
„Was für eine Rolle spielen Sie in der Geschichte?“, fragte Peter.
„Auf der ganzen Welt gibt es Familien wie meine. Wir nennen uns die Eingeweihten“, erläuterte Dr. Erickson ihm. „Vor Jahrhunderten, als die Fabelwesen beschlossen, sich aus unserer Welt zurückzuziehen, trafen sie Vereinbarungen mit den damaligen Eingeweihten, die es ihnen ermöglichen sollten, in regelmäßigen Abständen Teil unserer Welt zu sein. Sie wollten in Kontakt mit den Menschen bleiben, in der Hoffnung, dass sie eines Tages würden zurückkehren können. Leider hat sich diese Hoffnung bisher nicht erfüllt.“
Man sah ihm die Trauer darüber deutlich an.
„Ich muss leider sagen, dass sich ein Großteil der Shellycoats den Menschen gegenüber mittlerweile feindselig verhält. Deshalb werden Partnerschaften zwischen Menschen und Shellycoats weiterhin abgelehnt. Kinder aus solchen Verbindungen werden vom Stamm nicht anerkannt. Ich weiß gar nicht, wann es das letzte Mal einen Halbling gab. “
Calum und er sahen sich in die Augen.
„Früher“, fuhr Calum an seiner Stelle fort, „waren Partnerschaften mit Menschen nicht unüblich. Doch sie wurden in der Zeit der großen Kriege verboten und dann, wie gesagt, unter Strafe gestellt. Die Frau oder meinetwegen auch der Mann, der sich mit einem Shellycoat verbindet, muss sterben. Das sind die Regeln. Das Geheimnis muss gewahrt werden.“
Peter hatte sich vorgebeugt und lauschte begierig jedem Wort, das Dr. Erickson oder Calum sprachen. Jetzt, nachdem niemand mehr etwas sagte, lehnte er sich zurück und stieß laut seinen Atem aus.
Stundenlang wogen wir jedes Für und Wider ab.
„Dieses Wissen ist sehr gefährlich, darüber müsst ihr euch im Klaren sein“, mahnte Dr. Erickson zum wiederholten Male. „Außerdem kann ich nicht sagen, wie der Große Rat reagieren wird, wenn er erfährt, dass mittlerweile so viele Menschen Bescheid wissen. Ehrlich gesagt, ich fürchte das Schlimmste. Die Stimmung ist nicht gut.“
„Vielleicht sollten wir erst einmal abwarten“, schlug ich zaghaft vor.
„Deine Rückreise ist beschlossene Sache, Emma. Ich dachte, das sei klar“, fiel mir Ethan ins Wort.
Da mischte sich Bree ein. Sie blickte Ethan in die Augen und sagte: „Nein, Ethan, das ist nicht klar. Nicht nach dem, was ich jetzt weiß. Deine Schwester ist an der Trennung zerbrochen und ich werde das für Emma nicht zulassen. Sie wird hierbleiben, solange es möglich ist, und sie wird sich weiter mit Calum treffen dürfen.“ Ihr Ton duldete keine Widerrede. „Wir werden eine andere Lösung finden müssen.“
Ethan sah sie empört an. Bree hielt seinem Blick stand. Nach einem kurzen Moment gab er nach und seufzte.
„Vielleicht hast du recht, vielleicht ist es hier auch viel sicherer für sie. Okay, Emma, du darfst bleiben.“
Erleichtert schlang ich meine Arme um Calum und schmiegte mich an ihn. Ein Stein so groß wie der Mount Everest fiel mir vom Herzen.
„Unter einer Bedingung“, warf Dr. Erickson da ein.
„Und die wäre?“, fragte ich misstrauisch.
„Ihr müsst versprechen, vorsichtig zu sein. Meidet die Nähe von Wasser. Man weiß nie, wer euch da zu sehen kriegt. Es muss ein Geheimnis bleiben. Und Calum, ich hoffe, du weißt, wo die Grenze für euch ist.“ Eindringlich sah er Calum an, bis dieser nickte.
Für mich war in diesem Moment nur wichtig, dass wir zusammenbleiben durften, dafür hätte ich alles versprochen.
Nach diesem Abend kehrte so etwas wie Normalität in unser Leben ein. Die Kälte, die draußen das Land in Beschlag nahm, machte mir nichts mehr aus.
Calum und ich verbrachten nun jeden Nachmittag zusammen. Jetzt musste ich nicht mehr heimlich aus dem Haus schleichen. Entweder er kam zu uns, oder ich ging nach der Schule mit ihm zum Pfarrhaus. Zweimal in der Woche gingen wir zu Sophie in den Laden. Meistens halfen wir ihr, die neuen Bücher, die ständig eintrafen, zu sortieren und zu katalogisieren. Der Laden verlor nie seinen Zauber für mich, sooft ich auch herkam. Wenn wir mit der Arbeit fertig waren, kochte Sophie in der kleinen Küche Tee für uns drei und immer wieder hatte sie neue Bücher für uns herausgesucht, die wir lesen sollten. Oft lagen wir dann an den Nachmittagen, die wir im Pfarrhaus verbrachten, eng aneinandergeschmiegt
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