MondSilberLicht
durchzogen sein Gesicht. Einzig seine silbernen Augen strahlten voller Kraft, obwohl ein heller Schleier sie zu verdunkeln begann. Calum wirkte immer so menschlich, dass ich oft vergaß, was er eigentlich war. Ares wirkte wie aus einer anderen Welt.
Als er uns sah, zauberten seine Lippen ein Lächeln auf sein Gesicht und für einen kurzen Moment sah ich das Gesicht des jungen Mannes, in den meine Mutter sich verliebt hatte. Genauso schnell, wie das Bild aufgetaucht war, verschwand es.
Ares saß am Ufer des Meeres und die Wellen umspülten seinen Körper. „Ich kann das Wasser nicht verlassen.“ Entschuldigend sah er mich an.
Calum ging zum ihm und umarmte ihn. Ich lächelte und hockte mich in den Sand.
Ares betrachtete mich schweigend. „Hallo Emma. Du bist deiner Mutter so ähnlich. Ich bin froh, dass du mutig genug warst, Calum zu begleiten. Du musst mir glauben, wenn ich damals gewusst hätte, dass Brenda ein Kind erwartete…“
„Was hättest du dann getan?“ Die Worte klangen schärfer als beabsichtigt.
Er dachte lange nach, bevor er mir antwortete. „Ja, was hätte ich getan?“ Hilflos zuckte er die Schultern. „Du musst verstehen, dass ich keinen anderen Ausweg sah. Ich dachte, dass es besser wäre, wenn ich einfach verschwand.“
„Besser für dich“, erwiderte ich anklagend.
Er nickte und schwieg.
Dann begann Calum zu erzählen, die ganze Geschichte, vom ersten Tag unseres Kennenlernens an. Während er sprach, unterbrach Ares ihn kein einziges Mal. Versonnen sah er auf das Meer hinaus oder betrachtete mich.
Nachdem Calum geendet hatte, schwieg er und sah uns an.
„Ich habe gespürt, dass du dich verändert hast, Calum. Ich hoffte, dass du mit mir reden würdest, wenn du so weit wärst. Aber dass dir dasselbe passiert wie mir? Dass das Schicksal sich wiederholt … Wenn ich euch beide nicht vor mir sitzen sehen würde, ich würde es nicht glauben.“
„Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Was Elin tun wird“, sagte ich, ohne auf seine Worte einzugehen.
Ares nickte.
„Elin hat über diesen Vorfall nicht berichtet. Das wundert und ängstigt mich. Ich habe die Wunde gesehen, er wollte nicht sagen, wer sie ihm zugefügt hat. Ich befürchte, dass er etwas Schlimmes ausheckt. Er wird dich vor dem Großen Rat anklagen. Die Chancen, dass du verurteilt wirst, sind dort größer. Ich weiß nicht, wie ich euch helfen kann“, sagte er zu Calum gewandt. „Wir könnten Emmas Geheimnis preisgeben.“
Aufgebracht schüttelte Calum den Kopf. „Das ist viel zu gefährlich. Was ist, wenn sie beschließen, sie zu töten? Es gab seit Jahrhunderten keine Halblinge. Auf gar keinen Fall werden wir das tun.“
„Du wirst ihr die ganze Wahrheit sagen müssen“, forderte Ares.
Calum schüttelte den Kopf.
„Mach nicht denselben Fehler wie ich bei ihrer Mutter.“ Sein Ton wurde bitter. „Sie hätte meine Entscheidung vielleicht verstanden, wenn ich den Mut gehabt hätte, ihr von unserer Welt zu erzählen.“
Calum presste weiter seine Lippen aufeinander. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, doch als ich sah, wie er sich versteifte, zog ich sie zurück, ohne ihn berührt zu haben. Was war es, was ich noch nicht wusste?
„Denk darüber nach, das ist der einzige Rat, den ich dir geben kann. Es gibt keinen Ausweg.“
Dann blickte er mich mit seinen silbernen Augen, in denen ich mich erkannte, an und sagte: „Emma, ich weiß nicht, ob du mir verzeihen kannst, ob du mich verstehen kannst. Ich habe deine Mutter sehr geliebt, aber ich war nicht mutig genug, bei ihr zu bleiben. Und als ich mich entscheiden musste, habe ich den Weg gewählt, der mir richtiger erschien. Ich hatte eine Verpflichtung gegenüber meinem Volk. Ich habe sie unglücklich gemacht und das tut mir leid.“
Er schwieg. Als er weitersprach, klang seine Stimme zärtlich.
„Ich hätte alles dafür gegeben, um noch einmal mit ihr reden zu können. Doch als ich sie fand, war es zu spät.“
„Du hast sie gesehen?“
Er sah auf das Meer und seine Finger bewegten sanft das Wasser.
„In dem Moment, in dem sie das Wasser berührte, konnte sie mich hören. Sie rief mich.“
Verständnislos sah ich ihn an.
„Wir können unsere Geliebten, wenn sie im Wasser sind, hören und finden, egal, wo das ist. Ich wusste, dass sie nie freiwillig hineingegangen wäre, denn Dr. Erickson hatte es ihr verboten. Ich ahnte auch, dass sie nun Elin nicht entgehen würde.“
Er schlug die Hände vor sein Gesicht.
„Ich konnte sie nicht retten. Als ich sie fand, war sie fast
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