MondSilberLicht
dann würde sich etwas ändern.“
„Wir glauben das nicht, Emma. In all den Jahren ist uns von den Menschen viel Leid zugefügt worden. Und nicht nur uns, so vielen Wesen, die anders sind. Im Grunde macht ihr nicht einmal vor euresgleichen Halt. In den Jahren, die ich bei euch lebe, habe ich viel gesehen, was mich erschreckt hat …“
„Und trotzdem bist du geblieben?!“
„Ja, trotzdem … Weil eure Welt auch unglaublich vielfältig ist. Das ist faszinierend für mich. Eure Musik, die so viele Klänge und Töne kennt. Eure Bücher, in denen immer neue Geschichten zum Leben erweckt werden, und ihr Menschen selbst, jeder einzigartig. Das waren wunderbare Erfahrungen für mich.“
Dass er plötzlich in der Vergangenheit sprach, erschreckte mich. Ich biss mir auf die Lippen und schwieg.
„Aber eure Vielfältigkeit an Grausamkeiten und eure Unmöglichkeit, aus euren Fehlern zu lernen, sind beängstigend. Es müsste sich viel ändern, ehe wir beschließen könnten, euch unsere Existenz zu offenbaren …“
19. Kapitel
Mein Handy klingelte ohrenbetäubend. Vor Schreck rührte ich mich nicht.
Ich brütete über meinem Aufsatz zum Sommernachtstraum. Es war mein Wunschthema gewesen. Doch die Anspannung war in den letzten Tagen so groß geworden, dass ich mich kaum konzentrieren konnte und mich immer wieder in dem Text verlor.
Ich wusste, dass es Calum war und griff nach dem Telefon.
„Calum?“, meldete ich mich.
Stille …
„Calum?“, fragte ich noch einmal. „Bitte sag doch was.“
„Es ist so weit“, sagte er irritierend leise. „Die Einladung zur Ratsversammlung ist gekommen. Emma, sie möchten, dass du mitkommst. Aber du musst das nicht tun. Mir wäre es lieber, du würdest zu Hause bleiben. Es ist sicherer für dich. Wir wissen nicht, wie sie entscheiden, und ich würde dich nur ungern mit in die Höhle des Löwen nehmen.“
Ich hatte Mühe, ihn zu verstehen.
Elin hatte es also wirklich getan. Er hatte die Sache vor den Großen Rat gebracht. Er musste sich seiner Sache sehr sicher sein. Doch was hatte Calum da gesagt? Ich glaubte, mich verhört zu haben.
„Calum, ich werde auf jeden Fall mitkommen. Ich lasse dich nicht allein gehen. Das geht mich genauso viel an wie dich.“
Ich versuchte, nicht allzu aufgebracht zu klingen. Was dachte er sich dabei? Als ob ich hier sitzen könnte, während woanders über mein Leben entschieden wurde.
„Du bist so dickköpfig“, fauchte er durchs Telefon.
„Kommst du heute noch zu mir?“, bat ich, seinen Zorn ignorierend.
„Ich weiß nicht.“
Dann legte er auf.
Ich starrte auf das Handy in meiner Hand. Es war so weit. Die Zeit, seitdem Elin uns zusammen gesehen hatte, schien eine Ewigkeit her zu sein oder auch nicht.
Noch zwei Wochen bis zur Sommersonnenwende. Es war schwer vorstellbar, dass dieser Tag unser Leben verändern sollte. Ich konnte es mir nicht vorstellen und das war vielleicht auch gut so. Was würde der Rat beschließen?
Angst kroch in mir hoch. Ich sprang auf und lief in die Küche. Peter stand an der Spüle und wusch ein Glas aus.
Ich griff mir eine Packung Orangensaft aus dem Kühlschrank. Als ich mich nach einem Glas umsah, fiel die Packung polternd zu Boden und der Saft spritzte durch den Raum.
„Emma, ist alles in Ordnung? Du bist ganz durcheinander.“
„Calum hat angerufen.“
Ich versuchte, das Chaos zu beseitigen. Peter sah mich abwartend an, während ich den Boden aufwischte.
„Und?“, fragte er, als ich nicht weitersprach.
„Die Einladung des Großen Rates ist gekommen. Sie wünschen, dass ich mitkomme. Calum würde es mir allerdings am liebsten verbieten. Er ist wütend auf mich.“
Es war absurd, hier in der Normalität einer schottischen Küche auf dem Boden zu hocken, Saft aufzuwischen und über diesen mysteriösen Rat zu diskutieren. Ich fing an zu kichern. Bei Peters Anblick blieb mir das Lachen im Halse stecken. Er schien die Situation anders einzuschätzen.
Er hatte bei meinen Worten seine Augen aufgerissen und sah mich an. „Weißt du eigentlich, Emma, dass außer den Eingeweihten niemals ein Mensch vor den Rat treten durfte?“
„Weshalb weißt du das schon wieder? Du machst mich wahnsinnig, Peter.“
Ich runzelte meine Augenbrauen und schmiss den Lappen, ohne ihn auszuwaschen, in das Spülbecken.
„Ich habe dir gesagt, du solltest dich mehr mit Calums Welt befassen. Dass sie dich vorladen, ist sonderbar. Vielleicht hat Calum recht. Es ist besser, wenn du nicht mitkommst.“
„Vielleicht hat er aber auch nicht
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