MondSilberTraum (MondLichtSaga) (German Edition)
strahlte ich Amelie an. »Ohne dich hätte ich das nicht geschafft. Komm, lass es uns ausleihen und dann schauen wir, was es uns verraten kann.«
Amelie kramte ihre Bibliothekskarte heraus und lieh das Buch aus.
»Ich komme mit in die Pension«, verkündete sie, kaum dass wir auf der Straße standen.
»Aber das sollst du nicht. Ethan hat gesagt, Elin soll nicht erfahren, dass du auch in Edinburgh bist. Für den Fall, dass er uns findet.«
»Quatsch. Ich will meine Familie sehen. Ich komme mit.«
Jeder weitere Einwand war zwecklos, deshalb gab ich mich geschlagen und wappnete mich gegen Ethans Wutanfall.
Tatsächlich wurde er blass, als seine Tochter mit mir in die Pension spazierte, doch nach der ersten Schrecksekunde nahm er sie in die Arme und Amelie zwinkerte mir zu. Wie gut sie ihren Vater kannte. Nachdem sie und Bree ein paar Tränen vergossen hatten, gesellten die zwei sich zu uns in die Küche, wo Miss Wallace gerade dabei war, einen leckeren Schokokuchen aufzuschneiden, den sie mit Bree gebacken hatte.
Man hätte meinen können, dass wir gemeinsam in unserer Küche in Portree saßen, so glücklich waren wir, alle zusammen zu sein. Der Einzige, der mir zu meinem Glück fehlte, war Calum.
6. Kapitel
Amelie war nicht davon zu überzeugen gewesen, zurück in ihre WG zu gehen, und hatte Ravens Bett übernommen. Sie kuschelte sich in die Kissen, als ich begann, in dem Buch zu blättern.
Es war dicker, als ich es in Erinnerung hatte. Es begann mit der Geschichte, über den jungen Mann, der das Tor zur Welt der Gwragedd Annwn verschlossen hatte.
»Was Interessantes gefunden?«, murmelte Amelie schläfrig.
»Bis jetzt noch nicht«, erwiderte ich.
»Lies mir was vor. Damit ich weiß, wofür ich meinen halben Tag geopfert hab.«
»Ich lese dir den Abschnitt vor, der mich damals am meisten interessiert hat. Ich war ja auf der Suche nach Informationen, die bestätigen sollten, dass Shellycoats und Menschen mal friedlich zusammengelebt haben. Beziehungsweise, dass Shellycoats nicht so gefährlich sind, wie Ethan dachte.«
Ich blätterte zu besagter Stelle.
» Laut der Legende war es früher erlaubt, das Reich der Gwragedd Annwn durch eine Tür in einem Felsen zu betreten. Nur wenige hatten den Mut dazu. Sie kamen in einen wundervollen Garten und konnten bleiben, solange sie wollten. Der Garten war voll von saftigen Früchten, Blumen, der schönsten Musik und vielen anderen Wundern. Es gab eine einzige Bedingung, sie durften nichts mit zurücknehmen in die Menschenwelt. Eines Tages nahm ein junger Mann eine Blume aus dem Garten mit zu den Menschen. In dem Moment, in dem er das Reich verließ, löste sich die Blume in nichts auf und er fiel ohnmächtig zu Boden. Seit diesem Tag blieben die Tore zum Reich der Gwragedd Annwn verschlossen. «
»So ein dummer Junge«, Amelie schüttelte ihren Kopf. »Aber das bringt uns nicht weiter oder?«
»Nein, wohl nicht«, seufzte ich. »Ich werde weiter suchen müssen.«
»Viel Glück.« Amelie drehte sich um und bald darauf hörte ich ihren gleichmäßigen Atem.
Seite um Seite, Wort für Wort las ich, auf der Suche nach einer Verbindung zu den Undinen. Bis zur Mitte des Buches gab es keinen Hinweis darauf. Das Buch bestand aus lauter kleinen Geschichten und Erzählungen. Es wurde von Begegnungen mit Menschen berichtet und von Begegnungen mit anderen mystischen Völkern. Merkwürdig war, dass es keinen Autor gab, der das Buch verfasst hatte. Nirgendwo war ein Verlag vermerkt. Zwar wirkte das Buch durchaus menschengemacht, doch der silbrige Glanz des Einbandes verunsicherte mich. Noch etwas war anders als bei den Büchern, die ich ansonsten aus der Sammlung von Dr. Erickson gelesen hatte. In diesen wurden die mystischen Völker und vor allem die Shellycoats in der Regel verunglimpft und als böse und hinterhältig dargestellt. In diesem Buch war davon nichts zu spüren. Es wirkte eher wie eine Sammlung von Legenden. Legenden, die ein Volk niederschreiben würde, um sich daran zu erinnern. War das möglich? Konnte es sein, dass das ein Buch der Gwragedd Annwn war? Wie sollte es in die Sammlung von Dr. Erickson gelangt sein?
Ich rieb mir die Augen. Dann legte ich das Buch auf mein Nachttischschränkchen. Ich würde morgen weiterlesen. Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, etwas zu finden, was uns helfen würde.
Wieder dehnte sich ein unendlicher Tag voller Grübeleien vor mir aus. Die Untätigkeit machte mich verrückt. Aber nicht nur die
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