Mondspiel: Novelle (German Edition)
und ihre Finger glitten in sein seidiges Haar. »Du warst anfangs so anders, dass ich den, der aus dir geworden ist, schon gefürchtet habe, aber du kannst dich nicht vor mir verstecken, wenn du komponierst.«
Dillon konnte nicht fassen, wie fest sie an ihn glaubte. Es war das reinste Wunder. Er zog sie eng an sich, begrub sein Gesicht in ihrem weichen Haar und raubte sich Momente des Vergnügens und des Trostes, die ihm nicht zustanden.
»Meine Mutter hat mich nie darauf angesprochen, Dillon, was mir in jener Nacht zugestoßen ist.Warum hat sie in all den Jahren nie mit mir darüber gesprochen? Die Alpträume. Ich habe mir jemanden gewünscht, mit dem ich reden kann.« Ihn hatte sie sich gewünscht.
»Sie hat mir erzählt, sie hätte darauf gewartet, dass du auf sie zukommst, aber das hast du nie getan.«
Jessica seufzte leise, als sie sich von Dillon löste. »Ich konnte mich nie dazu durchringen, ihr zu erzählen, was passiert war. Ich habe mich schuldig gefühlt. Ich frage mich heute noch, was ich hätte anders machen müssen, um die Situation zu vermeiden.« Ihre Hand streichelte
seinen Arm, und sie fühlte die Wülste seiner Narben unter ihrer Handfläche, den Beweis für seine heroische Tat. Ein Liebesbeweis und ein Ehrenabzeichen, das er vor der Welt verbarg. »Wie könnte Mom dich für schuldig gehalten haben?«
»Ich habe ihr erzählt, was vorgefallen ist, und dabei die ganze Zeit Sachen zerbrochen, den beiden gedroht und geflucht wie ein Irrer. Sie saß schluchzend auf dem Küchenboden und hatte sich die Hände vors Gesicht geschlagen. Ich bin wieder nach oben gegangen. Ich wusste nicht, was ich tun würde. Ich glaube, ich hatte vor,Vivian und ihre Freunde gewaltsam aus dem Haus zu werfen, einen nach dem anderen, ins Meer. Deine Mutter hat mich nach oben gehen sehen. Auf der Treppe bin ich stehen geblieben, denn ich konnte Vivian weinen und die anderen anschreien hören, sie sollten verschwinden, und in dem Moment wusste ich, dass mir ihr Anblick unerträglich ist. Ich konnte sie einfach nicht mehr sehen. Ich bin wieder nach unten gegangen und habe das Haus durch die Hoftür verlassen. Ich wollte weder von deiner Mutter noch von der Band gesehen werden. Ich musste allein sein. Ich bin in den Wald gegangen und habe mich hingesetzt und geweint.«
Sie konnte wieder atmen, richtig atmen. Er würde also doch nicht den albernen Versuch unternehmen, sie davon zu überzeugen, dass er Vivian erschossen hatte. »Ich habe immer gewusst, dass du unschuldig bist, Dillon. Und ich glaube immer noch nicht, dass meine Mutter dachte, du hättest die beiden getötet.«
»Oh doch, Jessica, sie hat es geglaubt. Bei der Verhandlung hat sie den Mund gehalten, aber sie hat mir klipp und klar zu verstehen gegeben, dass ich mich von dir und
den Kindern fernhalten muss. Das war ich ihr schuldig. Dafür, was dir zugestoßen ist, wäre ich ihr mein Leben schuldig gewesen, wenn sie es verlangt hätte.«
Jessica fühlte sich, als hätte er ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. »Sie hat nie anders als gut über dich gesprochen, Dillon.«
»Sie wusste, dass ich dich wollte, Jess. Ich hätte es niemals geschafft, in deiner Nähe zu sein und mich nicht mit allen Mitteln um dich zu bemühen«, gestand er, ohne sie anzusehen.
Er sagte es so beiläufig, so sachlich, dass sie nicht sicher war, ob sie richtig gehört hatte. Er blickte aufs Meer hinaus und in den dichten Dunstschleier, doch sie sah er nicht an.
»Und ich wäre sofort darauf eingegangen«, gestand sie in demselben beiläufigen Tonfall und folgte seinem Beispiel, indem auch sie auf die tosende Brandung hinausblickte.
Sein Adamsapfel geriet in heftige Bewegung, und ein Muskel in seiner Kinnpartie zuckte, als er ihr ehrliches Eingeständnis hörte. Er wartete einen Herzschlag lang, dann noch einen, während er um die Kontrolle über seine Gefühle rang. »Jemand hat versucht, mich zu erpressen. Sie haben einen Drohbrief geschickt, in dem stand, sie wüssten, dass ich in jener Nacht ins Haus zurückgegangen bin, und wenn ich ihnen nicht jeden Monat zehntausend Dollar gäbe, gingen sie zur Polizei. Ich sollte das Geld monatlich an einem bestimmten Tag auf ein Schweizer Bankkonto überweisen. Die Worte waren aus einer Zeitung ausgeschnitten und auf ein Blatt Papier geklebt. Meines Wissens war Rita der einzige Mensch, der gesehen hat, dass ich ins Haus zurückgegangen
bin, bevor die Schüsse fielen. Das war der Grund, weshalb ich sie gebeten habe herzukommen, um
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