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Mondspiel: Novelle (German Edition)

Mondspiel: Novelle (German Edition)

Titel: Mondspiel: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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zu bedenken, dass er nicht mehr derselbe wie früher sein würde, er wäre verändert«, warf Tara eifrig ein.
    »Ja, das ist wahr, aber das machte den Kindern und der einzig wahren Liebe des Vaters nichts aus. Sie wollten ihn zurückhaben, ganz gleich, in welcher Form. Sie wussten, dass sich an dem, was er in seinem Herzen trug, niemals etwas ändern würde.«
    Draußen vor Taras Zimmer lehnte Dillon an der Tür und lauschte dem Klang von Jessicas wunderschöner Stimme, als sie ihre Weihnachtsgeschichte erzählte. Er hatte sich auf die Suche nach ihr gemacht, weil ihm der Kummer verhasst war, der sich auf ihrem Gesicht widergespiegelt hatte, und weil er die Alpträume vertreiben musste, die er in ihren Augen gesehen hatte. Er hätte sich ja denken können, dass sie bei den Zwillingen sein würde. Bei seinen Kindern. Seine Familie. Sie war auf der anderen Seite der Tür und wartete auf ihn, wartete auf ein Wunder. Tränen brannten in seinen Augen, liefen ihm ungehindert über die Wangen, schnürten seine Kehle zu und drohten ihn zu ersticken, während er der Geschichte seines Lebens lauschte.
    »Haben sie den perfekten Baum gefunden?«, drängte Tara. Ihre Stimme hatte einen so hoffnungsvollen Klang, dass Dillon die Augen gegen eine neuerliche Flut von Tränen schloss, Tränen, die den tiefsten Winkeln seiner Seele entsprangen. Genug, um die Ufer des mythischen Flusses zu überschwemmen.
    »Anfangs dachten sie, die Taube meinte Perfektion im Sinne von vollendeter Schönheit.« Jessica hatte die Stimme gesenkt, und er konnte sie nur noch mit Mühe hören. »Aber als sie sich im Wald umsahen, erkannten sie schließlich, dass es um etwas ganz anderes ging. Sie fanden einen kleinen, buschigen Baum, der im Schatten eines wesentlich größeren Baumes stand. Die unregelmäßigen Zweige
hatten Lücken, aber sie wussten sofort, dass es der perfekte Baum für den Gabentisch war. Alle anderen hatten ihn übersehen. Sie fragten den Baum, ob er Lust hätte, mit ihnen Weihnachten zu feiern, und der Baum willigte ein. Sie bastelten herrlichen Schmuck und schmückten ihn mit großer Sorgfalt. Am Heiligen Abend saßen die drei da und warteten auf das Wunder. Sie wussten, dass sie den perfekten Baum gewählt hatten, als die Taube sich freudig im Geäst niederließ.«
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Das Bett quietschte, als hätte sich jemand umgedreht. »Jessie. Willst du uns nicht das Ende der Geschichte erzählen?«, fragte Trevor.
    »Das Ende der Geschichte kenne ich noch nicht«, antwortete Jessica. Weinte sie? Dillon wäre es unerträglich gewesen, wenn sie geweint hätte.
    »Natürlich kennst du es«, klagte Tara.
    »Lass sie in Ruhe, Tara«, riet Trevor. »Lass uns jetzt einfach schlafen.«
    »Ich erzähle sie euch an Weihnachten«, versprach Jessica.
    Dillon lauschte der Stille im Zimmer. Seine Brust war zugeschnürt. Taumelnd wich er vor dem Schmerz zurück und wankte die Treppe hinauf in die Dunkelheit seines einsamen Turms.
    Jessica lag da und lauschte den Lauten der schlafenden Zwillinge. Es war tröstlich, ihren gleichmäßigen Atem zu hören. Draußen schlug der Wind gegen die Fenster wie die Hand eines Riesen, der an den Fensterbänken rüttelte, bis die Scheiben alarmierend klapperten. Der Regen traf mit Wucht auf das Glas, ein stetiger Rhythmus, der beruhigend war. Sie liebte den Regen und den frischen, sauberen Duft, den er mit sich brachte. Sie atmete tief ein und glitt in einen leichten Halbschlaf. Nebelschwaden
krochen ins Zimmer und trugen einen Geruch mit sich, den sie wiedererkannte. Sie roch Räucherstäbchen und runzelte die Stirn. Sie versuchte, sich zu bewegen, doch ihre Arme und Beine waren zu schwer, um sie zu heben. Alarmiert rang sie darum, wach zu werden, als sie erkannte, dass ihr Wegdämmern sie an ihren Träumen vorbei zu ihrem allzu vertrauten Alptraum geführt hatte.
     
    Sie wollte sie nicht ansehen, keinen von ihnen. Sie hatte das Grauen hinter sich gelassen und sich an einen Ort begeben, an dem sie gefühllos war. Sie bemühte sich, nicht zu atmen. Sie wollte sie nicht riechen und auch nicht den Weihrauch, und sie wollte auch nicht den Singsang hören oder daran denken, was ihrem Körper zustieß. Sie spürte die Hand auf sich, die sie grob berührte, während sie den Angriff hilflos über sich ergehen lassen musste. Sie hatte sich gewehrt, bis ihr die Kraft ausgegangen war. Nichts würde diesem wahnsinnigen Gebaren Einhalt gebieten, und sie würde es über sich ergehen lassen, weil ihr gar

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