Mondspiel: Novelle (German Edition)
Raum, Jess.« Er erzählte ihr bewusst nichts von dem magischen Kreis aus der Asche von Räucherstäbchen auf dem Fußboden vor dem Bett, den er gemeinsam mit Tara mühsam weggewischt hatte. Wenn sie das herausfand, würde sie die beiden nie mehr aus den Augen lassen.
Jessica seufzte. »So was Albernes. Hier hat jemand einen Fimmel für offene Fenster. Was ist mit deinem Zimmer, Trev, hast du dort etwas Ungewöhnliches vorgefunden? «
»Nein, aber in meinem Zimmer habe ich ja auch die Videokamera aufgebaut«, sagte er mit einem frechen Grinsen. »Ich hatte den Eindruck, da war jemand und hat in meinen Sachen gekramt, und ich wollte die Täter auf
frischer Tat ertappen, falls sie nochmal zurückkommen.« Er ließ sich anmerken, dass es ihm nicht ernst damit war.
»Und wen hast du in Verdacht und wonach haben sie deiner Meinung nach gesucht?«, fragte Jessica.
»Ich hatte angenommen, ich würde Brenda auf der Suche nach Bargeld erwischen«, gab er zu.
»Brenda ist mittlerweile nett«, widersprach Tara. »Die wühlt doch nicht in deinen stinkigen alten Socken, in denen du, wie jeder weiß, dein Geld versteckst.«
»Das weißt nur du.« Trevor sah sie finster an.
»Jetzt weiß ich es auch«, gab Jessica mit einem heimtückischen Lächeln zu bedenken.
»Erzählst du uns jetzt endlich, ob Dad Brian umgebracht hat oder nicht?« Trevor versuchte seine Worte möglichst beiläufig klingen zu lassen, doch eine Spur unterschwelliger Sorge war nicht zu überhören. »Ich sterbe vor Spannung.«
»Natürlich nicht. Brians Religion ist sehr alt, die Anbetung der Erde und der Gottheiten, die in Harmonie mit der Erde leben. Mit Teufelsanbetung und Okkultismus hat das nichts zu tun.« Sie zögerte und sah in die beiden identischen Gesichter. »Eure Mutter ist seinem Beispiel eine Zeit lang gefolgt, aber während ihres letzten Lebensjahres, als sie so krank wurde, ist sie einem Mann begegnet, der Phillip Trent hieß. Er war durch und durch verkommen. « Ihr wurde schon übel, wenn sie seinen Namen bloß aussprach. In dem Moment fühlte sie es, diese grässliche Kälte, die in einen Raum vordringen konnte, unnatürlich und ungeladen. Unter der Decke presste sie sich eine Hand auf den Magen, denn sie fürchtete, sich zu übergeben.
»Was hast du, Jess?« Trevor setzte sich kerzengerade auf.
Sie schüttelte den Kopf. Es war lange her. In einem anderen Haus. Dieser teuflische Mann war tot und nichts, was er ins Leben gerufen hatte, war zurückgeblieben. Alles war zu einem Haufen Asche niedergebrannt. Sie bildete sich nur ein, dass ein kalter Luftzug die Gardinen kaum merklich in Bewegung versetzte, obwohl das Fenster geschlossen war. Sie bildete sich nur ein, dass sie Augen auf sich fühlte, die sie beobachteten, und dass sie belauscht wurden. Dass, wenn sie über jene Zeit sprach, das Böse triumphieren würde. Dass es freigesetzt würde.
»Euer Vater kennt den Unterschied. Brian hat erklärt, dass er die Rituale aus Respekt vor Dillons Gefühlen nicht im Haus, sondern draußen vollzieht. Ich habe ihn nicht auf den Kreis in meinem Zimmer angesprochen, weil ich ihn unter vier Augen danach fragen möchte. Dillons Beschützerinstinkte erstrecken sich auf uns alle. Die beiden sind gute Freunde, und sie haben es ausdiskutiert.« Jessica erschauerte wieder, und ihre Blicke schossen durch das Zimmer in die dunkelsten Winkel. Sie fühlte sich unbehaglich. Erinnerungen lauerten viel zu dicht unter der Oberfläche. Sie krallte ihre Finger in die Bettdecke.
Tara beugte sich über sie und sah ihr forschend ins Gesicht. Sie warf ihrem Bruder einen Blick zu. Dann legte sie ihre Hand auf die Jessicas und streichelte sie liebevoll. »Erzähl uns die Weihnachtsgeschichte, Jessie. Dann geht es uns immer gleich viel besser.«
Jessica zog die Decke noch höher und schmiegte ihr Gesicht ans Kissen. Am liebsten hätte sie sich die Decke wie ein verängstigtes Kind über den Kopf gezogen. »Ich bin nicht sicher, ob ich mich genau daran erinnern kann.«
Trevor schnaubte ungläubig, setzte jedoch forsch an, die altbekannte Geschichte zu erzählen. »Es waren einmal
zwei wunderschöne Kinder. Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen. Der Junge war gescheit und sah gut aus, und alle liebten ihn, insbesondere die Mädchen aus der Nachbarschaft, und das Mädchen war ziemlich doof, ein dummes kleines Ding, aber er duldete sie großzügig. «
»In der wahren Geschichte ist es genau umgekehrt«, erklärte Tara verächtlich.
»In der wahren Geschichte sind
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