Mondspiel: Novelle (German Edition)
wir mitnehmen und ihm zeigen, wie man feiert, damit er auch mal seinen Spaß hat.«
Jessica nickte. »Mir erscheint er perfekt.« Sie lief um den erbärmlichen kleinen Baum herum und berührte einen der längeren Zweige, der sich in Richtung Meer streckte. »Das ist genau der Richtige.«
Dillon zog eine Augenbraue hoch und sah Robert an, der hilflos die Achseln zuckte. »Wenn es sie glücklich macht.«
Brian trat vor, um Dillon die Axt aus der Hand zu nehmen. »Mir gefällt das verflixte Ding – es braucht ein Zuhause und ein bisschen Aufmunterung.« Er zielte mit der Axt auf den schmalen Stamm. Brian war kräftig, und bereits der erste Hieb hinterließ eine tiefe Kerbe.
Tara drückte ihren Bruder mit leuchtenden Augen an sich. »Genauso habe ich es mir ausgemalt, Dad.« Sie schlang den anderen Arm um ihren Vater.
Dillon stand ganz still da, als ihn die liebevolle Geste seiner Tochter mit rasender Freude erfüllte.
Paul lachte und machte seine Jacke auf. »Hast du dir den Regen auch vorgestellt, Tara? Wir wären auch ohne ihn ausgekommen.«
Der graue Nieselregen wurde dichter. Beim nächsten Hieb versenkte Brian das Blatt der Axt vollständig im Stamm. In einem gleichmäßigen Rhythmus, der zum Rauschen des Regens passte, holte er immer wieder aus und schlug zu. Robert legte einen Arm um seine Frau, weil er ihr Schutz gegen den aufkommenden Wind bieten wollte. Der Baum bebte und begann, sich zur Seite zu neigen.
»He!« Paul schlüpfte jetzt ganz aus seiner Jacke und reichte sie, über Jessica hinweg,Tara. »Zieh dir das über.«
Tara strahlte ihn durch den grauen Dunst freudig an. »Danke, Paul.« In dem Moment, in dem sich ihre Finger um den Stoff schlossen, war ein bedrohliches Knacken zu hören.
Die Zweige zitterten und kamen dann auf sie zu. Paul schrie eine Warnung und sprang zurück, um nicht getroffen
zu werden. Sein Ellbogen stieß gegen Jessicas Schulter, und sie flog nach hinten, als Pauls Füße auf dem schlammigen Untergrund ausrutschten.
Dillon schubste Tara in Trevors Arme, während er selbst durch den Schlamm zu Jessica sprang. Zu seinem Entsetzen knallte sie auf die Erde und rutschte bedrohlich nah an den Rand der Klippe. Er sah, wie sie nach den wankenden Zweigen des Baums zu greifen versuchte, aber Pauls größere Gestalt prallte in einem wüsten Durcheinander von Armen und Beinen gegen sie. Beide schlitterten über den Rand der bröckeligen Klippe. Pauls Finger hinterließen auf der Suche nach Halt breite Spuren in der glitschigen Erde.
Dillon warf sich zu Boden, blieb flach liegen und packte Jessicas Knöchel, als sie über den Rand der Klippe stürzte. Er merkte, dass er heiser aufschrie, von lähmendem Entsetzen durchdrungen. Der Weihnachtsbaum lag neben ihm, wenige Zentimeter weiter links. Don warf sich quer über Dillons Beine, um zu verhindern, dass er hinter Jessica herrutschte, und Robert sprang mit einem Satz zu Paul und packte seine Handgelenke, als er sich an die Felsen klammerte. Einen Moment lang herrschte Stille, die nur von dem ächzenden Wind, dem stampfenden Meer, dem Geräusch des Regens und dem schweren Atmen durchbrochen wurde.
»Daddy?« Taras Stimme klang dünn und verängstigt.
Trevor ließ sich neben seinem Vater auf den Boden fallen und schaute über den Rand der Klippe auf Jessica hinunter. Sie hing mit dem Kopf nach unten und strengte sich an, ihn so weit zu drehen, dass sie zu ihnen aufblicken konnte. Mit Ausnahme ihres Kopfes hielt sie vollkommen still, da ihr bewusst war, dass nur Dillons Finger,
die ihren Knöchel gepackt hielten, sie vor dem Absturz bewahrten. Trevor streckte beide Hände aus und packte ihre Wade. Gemeinsam begannen sie, Jessica hochzuziehen.
»Es ist alles in Ordnung, Schätzchen«, beschwichtigte Dillon seine Tochter. »Jess fehlt nichts, richtig, Kleines?« Er konnte so tun, als zitterten seine Hände nicht und als sei sein Verstand nicht vor Entsetzen betäubt. »Robert, kannst du Paul halten?«
»Ich habe ihn.« Robert mühte sich mit dem Gewicht ab. Brenda und Tara packten seinen Gürtel und zogen mit aller Kraft daran. Brian griff an ihnen vorbei und mit vereinten Kräften zogen er und Robert Paul nach oben. Als Paul in Sicherheit war, half Brian Trevor und Dillon mit Jessica.
Sie alle saßen im Schlamm. Dillon,Tara und Trevor hatten ihre Arme um Jessica geschlungen. Der Regen nahm zu. Jessica konnte das Herz in ihrer Brust heftig schlagen hören. Dillon hatte sein Gesicht an ihrer schmerzenden Schulter begraben. Tara und
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