Mondsplitter
Einschienenbahn in die Innenstadt zu fahren.
Unterwegs hielt er an, um Marisa anzurufen und es hinter sich zu bringen. Sie war zunächst nicht froh und drängte ihn, es zurückzugeben, aber bis er zu Hause eintraf, war sie zu dem Schluß gelangt, daß sich die Investition womöglich gelohnt haben könnte. »Solange es auch benutzt wird«, erklärte sie ihm. »Aber falls es nur auf dem Dachboden herumsteht, bist du ein toter Mann.«
Marisa war mehrere Jahre lang Medizintechnikerin beim Rettungsdienst in Pacifica gewesen. Heute lehrte sie Notfallbehandlung auf dem San Franciscoer Campus der Universität von Kalifornien. »Der Rettungsdienst ist in Alarmbereitschaft versetzt worden«, berichtete sie ihm.
»Wegen des Kometen?« fragte er.
Sie zuckte die Achseln. »Die Leute sind nervös. Ich hätte auch Alarmbereitschaft ausgerufen, wäre ich dafür zuständig.«
Nach dem Abendessen packten sie das Teleskop aus. Der Verkäufer hatte recht gehabt: Man konnte es leicht montieren. Sie fügten das Rohr in seine Halterung ein und montierten die Halterung auf dem Stativ. Sie zogen ein paar Klammern fest, schlossen den Computer an, steckten die Batterie ein, drückten einen Schalter, um eine Reihe von Selbsttests zu starten, und waren schon einsatzbereit.
Jimmy und Erin zeigten ein erfreuliches Maß an Begeisterung. Das einzige Problem bestand darin, daß das Teleskop eindeutig für einen festen Standort konstruiert war, an dem es auch aufgebaut bleiben konnte. Jerry erinnerte sich an die Bemerkung des Verkäufers, daß er sich ein eigenes Observatorium wünschen würde.
Trotzdem schleppten sie es auf die Veranda und richteten es auf den Kometen aus, der jetzt den Osthimmel völlig dominierte. Der Mond war gerade eben noch erkennbar und schwebte wie ein Kinderspielball hinter einer rotleuchtenden Unwetterwolke. Es war früh am Abend, immer noch ein paar Stunden vor Sonnenuntergang. Der Wind wehte kühl und frisch vom Meer herein.
Jerry stellte das Gerät auf Handbedienung. »Am besten auf die einfache Tour«, erklärte er Marisa. Mit Hilfe des Suchers richtete er das Instrument aus, während Erin einen Schemel hinstellte. Dann blickte Jerry in die Linse. Er sah nur einen dunklen Ring und berührte einen der Knöpfe. Der Mond machte einen Satz ins Bild hinein, rutschte links wieder heraus und ließ sich endlich in der Mitte nieder. Jerry machte den Kindern Platz.
Während ihr Bruder herumzappelte, kletterte Erin auf ihren Schemel, blickte ins Teleskop und machte aaah. »Ich erkenne Krater«, sagte sie.
Jerry trat zurück und musterte den Himmel. Der Komet war sehr groß. Nebelstreifen gingen von ihm aus und hüllten den Mond in einen Gazeschleier. Jerry wurde kalt bei diesem Anblick.
Während die Kinder ins Teleskop blickten und mit ihren Lauten ausdrückten, wie toll es war, fing Jerry Marisas Blick auf. »Ich habe mich geirrt«, sagte er.
»In welcher Hinsicht?«
»Packen wir zusammen und verschwinden von hier. Nur die Nacht über.«
Sie machte große Augen. »Jerry im Fernsehen heißt es, daß es da draußen keine freien Motelbetten mehr gibt. Und wir können nicht ohne Vorwarnung bei Helen hineinschneien.«
»Wir nehmen die Campingausrüstung mit«, sagte er. »Aber wir sollten es lieber tun.«
Sie hatten zwei Autos, einen Mazda Superhawk und einen Chrysler Kombi. Ungeachtet ihrer Proteste hatte Marisa das Ereignis vorhergesehen und Vorbereitungen für einen raschen Aufbruch getroffen. Beide Autos waren schon halb beladen. Jetzt packten sie noch Lebensmittel, Wasser und Kleider ein. Marisa fand ihre Erste-Hilfe-Tasche und steckte sie in den Mazda. Sie verluden auch den Computer und einige seltene Bücher, die Jerry gesammelt hatte, dazu Marisas Schmuck und Silberwaren. Und die Sparbücher und Pässe und Staatsanleihen. Und die Lieblingsspielsachen der Kinder. Und das Grazier-Teleskop.
TRANSGLOBAL-NACHRICHTENREPORTAGE, 18 Uhr 18
»Hier meldet sich Keith Morley aus der Gruppe des Vizepräsidenten, live von der Mondbasis. Es sind jetzt nur noch etwas über vier Stunden, bis Komet Tomiko eintrifft. Wie Sie wahrscheinlich gehört haben, wird ein Raumschiff noch auf den letzten Drücker versuchen, uns herauszuholen. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Mondbus, allerdings kleiner als die regulären Mondbusse, so daß es hier als Mikro bezeichnet wird. Der Pilot ist Tony Casaway aus San Francisco, die Copilotin Alisa Rolnikaya. Alisa ist Russin, auch wenn sie in Florenz, Italien, geboren wurde. Sie
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