Mondsplitter

Sicherheit, und es schien Charlie der Gipfel der Unvernunft, sich trotzdem darum zu bemühen und damit erst recht in Gefahr zu bringen. Er atmete aus, hörte den Plastikbeutel knistern, und beugte sich aus der Luftschleuse.
    Er entdeckte einen Griff direkt links von sich. Er hielt nach weiteren Griffen Ausschau und sah, daß sie auf beiden Seiten in regelmäßigen Abständen von je circa sechzig Zentimetern aufeinander folgten – sowohl aufwärts zur Pilotenkanzel wie abwärts zum Frachtdeck.
    Es war ein seltsames Gefühl, hinauszublicken und keinerlei Bewegung zu erkennen, zu wissen, daß sie nicht verankert waren, und unter sich nichts weiter zu sehen als die Leere des Weltraums. Er verbannte den Gedanken, packte den Griff und schwang sich hinaus auf den Schiffsrumpf. Er hatte Höhen nie gemocht, aber hier war es ganz anders. Es fiel ihm leichter als erwartet, mit diesem Erlebnis klarzukommen, und er stieg fast gelassen die Leiter hinunter. Ihm fiel auf, daß er nicht besonders hoffnungsvoll mit seinem Plastikbeutel, dem Strohhalm und der Büroklammer in die Luftschleuse gegangen war.
    Aber jetzt stieg seine Zuversicht.
    Was ihn an etwas erinnerte: Er hatte aufgehört zu atmen. Er stieß die Luft hervor, und die Lungen füllten sich ohne jedes Bemühen seinerseits wieder.
    Ausatmen.
    Ihm war warm. Und ihm wurde wärmer.
    Er ging weiter. Das abgebrochene Landebein kam ins Blickfeld, und er sah jetzt die Triebwerksdüse und die Luke zum Frachtdeck, die aussah wie teilweise aufgestemmt. Er hielt rasch darauf zu, packte prüfend den Griff, zog daran und stellte fest, daß sich nichts rührte.
    Allerdings war Platz für seine Finger zwischen dem Lukenrand und seiner Auflagefläche. Er wechselte die Position, ließ den Handgriff los, packte die Unterseite der Luke mit beiden Händen, stemmte die Füße an den Rumpf und zog.
    Nichts.
    Er versuchte es mit dem Schraubenschlüssel und spürte, wie sich etwas bewegte.
    Okay. Ein Fortschritt.
    Er versuchte, mehr daraus zu machen, und strengte sich an, bis seine Sehnen knackten. Schweiß durchnäßte das Futter des g-Anzuges. Dampf bildete sich an der Innenseite des Beutels, und er mußte aufhören. Was hatte Evelyn gesagt? Sowohl Blickfeld als auch Gehirn würden sich benebeln? Vielleicht. Aber nach dieser Geschichte war er die führende Autorität auf diesem Gebiet.
    Er lockerte den Sitz der Büroklammer. Der Druck zwängte Luft durch den Strohhalm hinaus.
    Der Beutel wurde klarer.
    Er wollte mit der Arbeit fortfahren, als mehrere Lampen aufleuchteten, einige entlang der Mittellinie der Kugel, andere in der Nähe des Fahrgestells. Sie gingen aus und wieder an.
    Bis fünf zählen und das Triebwerk zünden.
    Scheiße! Er schwang zurück zu den Handgriffen und hielt sich verzweifelt daran fest.
    Er betrachtete nicht die Triebwerksdüse, aber er sah, wie sich das Licht der Zündung auf dem Metall vor seinem Gesicht spiegelte. Im selben Augenblick schleuderte ihn die abrupte Beschleunigung heftig an den Rumpf und versuchte, ihm den Arm auszukugeln. Auf einmal gab es ein Unten, ein klar spürbares Unten, und er baumelte an der Außenseite des Mikros über einem bodenlosen Abgrund.
    Er klammerte sich an den Handgriff. Schmerzen stachen ihm durch Finger und Schultern. Er versuchte, ein Abkommen mit der Macht auszuhandeln, die das Universum beherrschte, welcher auch immer.
    Die Griffe wiesen Vertiefungen auf, und er tastete mit dem Fuß nach einer, damit er stehen konnte. Den Druck mildern konnte. Nicht das Ausatmen vergessen. Der Schraubenschlüssel glitt langsam aus dem Gürtel.
    Er fand Halt mit dem Fuß, ließ kurz mit einer Hand los und steckte den Schraubenschlüssel fest.
    Dann stoppte die Brennphase, und er schwebte wieder.
    Er wußte nicht, ob das Manöver vorüber war. Sie hatten nicht daran gedacht, ein entsprechendes Okay-Signal zu vereinbaren, also hielt er sich weiter fest und wartete. Die Beine schwebten vom Rumpf weg.
    Er mußte sich zwingen, mit einer Hand loszulassen. Er rieb sich die Schulter, ließ dann vorsichtig auch mit der anderen Hand los und brachte sich wieder über der Luke in Stellung. Die ganze Zeit behielt er die Lampen im Auge.
    Sie gingen nicht an.
    Ausatmen.
    Er wartete, bis er wieder Gefühl in den Armen hatte, steckte den Schraubenschlüssel unter den Lukenrand und zog daran. Hatte er vorhin fieberhaft gearbeitet, so tat er es jetzt verzweifelt. Er spürte, wie Federn zersprangen, und er rutschte mit dem Schraubenschlüssel aus und stieß sich die