Mondsplitter
sagte er.
»Yeah. Ich war ein paarmal draußen. Nicht so oft, wie ich es gern hätte.«
Eine grüne Lampe ging an, und die Ausstiegstür öffnete sich wie eine Irisblende. Charlie blickte auf die Oberfläche des Mondes hinaus, eine zerklüftete Ebene, die sich in silbernem Licht gestochen scharf abzeichnete. Der Himmel war schwarz, aber von Sternenflüssen durchzogen.
Evelyn wartete, damit er als erster hinausgehen konnte.
»Es ist wundervoll«, sagte er und ging durch die Luke. Hinaus auf den Verwitterungsboden. Das Licht, jedenfalls das meiste davon, stammte von der Erde, die blau und weiß und sehr groß fast direkt über ihm schwebte.
»Sie leuchtet etwa vierzigmal heller als der Vollmond«, erklärte Evelyn.
Der Horizont schien nahe zu sein. Hätten Eingeborene auf dem Mond gelebt, hätten sie über jeden Zweifel hinaus gewußt, daß ihre Heimatwelt eine Kugel war.
Worte trafen es nicht. Charlie hatte schon oft die Holobilder gesehen, aber sie kamen nicht an die Wirklichkeit heran.
Evelyn führte ihn auf eine rechteckige, abgesperrte Fläche hinaus, die etwa dreißig mal fünfzehn Meter maß. Ein Fußweg führte hinüber, nur wenige Zoll über der Oberfläche. Hier und dort sah Charlie Fußabdrücke, jeder mit einem kleinen Pfosten und einem gelben Schild markiert. Evelyn zeigte ihm die Namen auf den Schildern. Sie waren ihm alle vertraut, alle gut bekannt: Sheila Davidson, Befehlshaberin des ersten der neueren Mondflüge; Angela Mikel, die erste Frau, die auf dem Mond ein Kind geboren hatte; Ed Harper, der den größten Teil der Bauarbeiten geleitet hatte. Evelyn zeigte auf eine bislang unberührte Fläche. »Ich möchte, daß Sie auf den Verwitterungsboden hinuntersteigen«, sagte sie.
»Warum?«
»Sie gehören auch hierher.«
»Das denke ich nicht.«
»Sollten Sie im Herbst gewinnen, werden sich die Leute Ihre Fußabdrücke noch in Jahrhunderten ansehen und sich an den ersten Präsidenten erinnern, der auf dem Mond spazierengegangen ist.«
»Und falls ich verliere?«
Sie lächelte. »Dann nehmen wir das Band herunter und fahren mit einer Walze darüber.«
Er blickte wieder zur Erde hinauf, die blau und warm und einladend am schwarzen Himmel stand. »Ich kann verstehen«, sagte er, »wieso Menschen hier herauskommen und religiös werden.« Und als ihm plötzlich einfiel, lieber vorsichtig zu sein: »Können Sie mich dort drin hören?«
»Jedes Wort, Sir«, vernahm er die Stimme des Technikers.
»Ist schon okay«, meinte Evelyn. »Niemand wird Sie zitieren.«
»Gut.« Rick hätte ihn hier sicher wieder daran erinnert, daß schon häufiger eine Kandidatur an einer spontanen Äußerung gescheitert war. George Romney verschwand in der Versenkung, als er aus Südostasien zurückkehrte und sagte, man hätte ihn einer Gehirnwäsche unterzogen. Teddy Roosevelt hatte sich, ohne groß nachzudenken, die Chance auf eine zweite Amtszeit genommen. Mary Emerson wäre beinahe die erste Präsidentin geworden, bis sie einem Reporter sagte, daß unter den sozial Schwachen, deren medizinische Auslagen der Staat übernahm, auch viele Schnorrer waren.
Charlie trat hinunter auf die markierte Fläche und bemühte sich, klare Abdrücke zu hinterlassen. Ihm gefiel die Vorstellung, daß Menschen in künftigen Zeitaltern an dieser Stelle stehen und sich gegenseitig darauf hinweisen würden, daß Charlie Haskell hier entlanggegangen war. Erster Präsident des Weltraumzeitalters. Das hatte einen netten Beiklang.
Ihm kam in den Sinn, daß Evelyn sich wahrscheinlich fragte, ob sein Mondspaziergang ein politischer Gag war. Etwas, das später in einer Wahlkampfgeschichte erwähnt wurde. Aber daran konnte er nichts ändern. Und Charlie fragte sich nicht zum erstenmal, ob seine politische Karriere die ganze Mühe eigentlich lohnte. Er genoß die Hitzigkeit politischer Debatten, liebte es zu gewinnen und hatte Spaß an einer Position, in der er etwas bewegen konnte. Allerdings mußte man dafür einen Preis zahlen. Nie wieder konnte er zum Essen ausgehen oder einfach mal hinüber in den Wal-Mart laufen, ohne eine Menschenmenge anzulocken.
Ein Gebläse hinten im Helm veränderte die Tonhöhe, als es sich der Temperatur oder Luftfeuchtigkeit anpaßte. Charlies einziger großer Nachteil für die Politik bestand in seinem Junggesellendasein. Die Partei glaubte, daß sich die Wähler ohne eine First Lady nicht wohl fühlten. Das zeigte sich zwar in demoskopischen Erhebungen nicht, aber es galt allgemein als Grundsatz in einer
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