Mondsplitter
Rasen, der immer noch feucht im Morgenlicht glitzerte. »Die ganze Sache könnte einen Nachteil haben.«
Eßzimmer des Weißen Hauses, 8 Uhr 04
»Tut mir leid, Sie zu stören, Herr Präsident.« Al Kerr, Henry Kolladners Stabschef, ragte unter der Tür auf. Er wirkte unglücklich.
Der Präsident saß mit der First Lady am Frühstückstisch. Emily Kolladner runzelte die Stirn. Sie hatte zwei Jahre lang eine verlorene Schlacht gekämpft, um die Privatsphäre der Familie zu schützen, ehe sie sich endlich der Realität fügte, daß ein Präsident kein Privatleben hat. Henry bemühte sich, Zeit für sie zu finden; er stand normalerweise früh auf, arbeitete zwei Stunden und gesellte sich dann für ein entspanntes Frühstück zu seiner Frau. Eigentlich bestand die Übereinkunft, daß niemand sie beim Essen stören durfte, nicht mal aufgrund irgendeiner Katastrophe, solange es kein Atomkrieg war. Natürlich wurde diese Übereinkunft fast täglich gebrochen. Der erste Stabschef, Kerrs Vorgänger, verlor deshalb seine Stelle. Henry lächelte Emily an, zuckte die Achseln und schluckte seinen Bissen Speck hinunter. »Was ist los, Al?« fragte er.
Kerr kam ins Zimmer herein, und erst jetzt entdeckte Henry, daß der Stabschef nicht allein war. Eine dienstbeflissen wirkende Frau in mittleren Jahren trat hinter ihm ein. Henry hatte sie schon gesehen.
»Herr Präsident«, sagte Kerr, »Sie kennen Dr. Juarez bereits.«
Ja. Seine wissenschaftliche Beraterin. »Natürlich. Mercedes, wie geht es Ihnen?«
Mercedes Juarez trug eine schwarze Hose und eine schwarze Jacke mit goldenem Schultertuch darüber. Das Haar wirkte ein wenig vom Wind zerzaust, und ihre Augen waren dunkle Stecknadelköpfe. »Ganz gut, danke, Herr Präsident.« Sie öffnete eine Aktentasche aus Leder. »Sir, wir haben einen Notfall.«
Die Feststellung konnte Kolladner nicht erschüttern, der täglich zwei oder drei Dutzend Notfälle erlebte. Sie holte ein Bild hervor und hielt es für ihn hoch. Es zeigte ein Sternenfeld. Eines der Lichter darauf strahlte besonders hell. »Das ist Tomiko«, stellte sie fest.
»Wer?«
»Der Komet, Sir.«
»Oh. Natürlich.«
»Er ist sehr groß. Er ist sehr schnell. Und er kommt auf uns zu.«
Kolladner legte die Gabel weg. Es schien im Zimmer kalt geworden zu sein. »Und …?«
»Er schlägt am Samstagabend auf dem Mond ein.«
»Okay …« Er brach kurz ab und versuchte, das Gleichgewicht zurückzugewinnen. Bei ihrem Tonfall hatte er eigentlich erwartet, die Nachricht würde viel schlechter ausfallen. »Möchten Sie damit sagen, daß die Mondbasis in Gefahr ist?«
Sie holte tief Luft. »Das auch.«
Er blickte kurz zu Kerr auf und hatte keine Ahnung, worauf das Gespräch hinauslaufen würde. »Auch?« fragte er.
Dr. Juarez zog die Augenbrauen zusammen. »Herr Präsident.« Sie machte ein merkwürdiges Gesicht, wie ein Kind, das gezwungen wurde, Spargel zu essen. »Er ist groß! Wir haben noch nie etwas so Großes entdeckt. Möglicherweise zerstört er den Mond vollständig.«
Kolladner sah erst seine Frau an, dann Kerr. Emily berührte kurz sein Handgelenk. Die Vereinigten Staaten hatten eine Multi-Billionen-Dollar-Investition auf dem Mond. Es fiel ihm schwer, über die Auswirkungen nachzudenken; die Idee erschien so abwegig. »Kein Irrtum möglich?«
»Nein, Sir. Es besteht ein Fehlerspielraum, aber er ist nicht der Rede wert.«
»Ein wie großer Fehlerspielraum?«
»Ein sehr geringer, soweit es den eigentlichen Einschlag angeht. Ein viel größerer in Hinblick auf die freigesetzte Energie.«
Henry schob sich vom Tisch zurück. »Okay. Ich vermute, die Mondbasis wird evakuiert?«
»Wir haben bislang nichts Offizielles gehört, Herr Präsident«, antwortete Kerr. »Wir haben Mondbasis International informiert, aber ich denke nicht, daß sie schon genug Zeit hatten, um die Information zu verdauen. Aber ja, sie werden das gesamte Personal abziehen müssen.«
»Ja, denke ich auch.« Er musterte die wissenschaftliche Beraterin. »Was möchten Sie von mir?«
»Herr Präsident«, antwortete sie, »es ist möglich – wahrscheinlich –, daß Bruchstücke vom Mond weggesprengt werden. Falls das passiert, könnte uns ein Teil des Niederschlags erwischen.«
»Uns? Die Vereinigten Staaten?«
»Die Welt.«
»Verzeihung«, sagte Emily, »aber warum erzählen Sie uns nicht einfach alles, was Sie wissen?« Emily mischte sich nur selten direkt ein, aber jetzt wirkte sie verärgert. »Machen wir uns hier wirklich
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